KARL MAY: "Zettelkasten 7, Jahrbuch der Gesellschaft der Arno-Schmidt-Leser"

Im von Kurt Jauslin herausgegebenen „Jahrbuch der Gesellschaft der Arno-Schmidt-Leser“ findet sich ein Artikel von Michael Moos, der sich als Briefwechsel über einen vorgeschlagenen, aber niemals zustandegekommenen Vortrag zum Thema „Arno Schmidt gegen das Finanzamt, das Finanzamt gegen Arno Schmidt“ geriert. Wer die angestrengte Humorigkeit der Schmidtgemeinde ertragen kann, wird den Artikel gern lesen. Ein weiterer Beitrag zum in Yuppiezeiten so beliebten Thema „Geist und Geld„; auch dazu, daß wer es hat, gut daran tut, darüber zu schweigen. Der umfangreiche Band steckt voll solcher Merkwürdigkeiten. Es ist ein Gemeindeblättchen. Der Uneingeweihte wird das Gefühl nicht los, daß es, wo er nichts versteht, auch nichts zu verstehen gibt. Man kennt das von den Zeugen Jehovas. Am Schluß läuft alles darauf hinaus, daß der Herr einen erweckt haben muß. Diese Art Literatur hat ihren Reiz. Aber für jeden nicht Schmidtcoholic sind mehr als zehn Seiten in der Stunde absolut ungenießbar. Es ist dabei ganz egal, wer schreibt. Auch sonst durchaus exoterische Schreiber wie Jörg Drews scheinen hier zu sich selbst gekommen und damit unerträglich geworden zu sein. Schmidts „Kaff“ beginnt mit den Worten „Nichts Niemand Nirgends Nie“. Drews meint dazu: Arno Schmidts Einsatz hat „die Kraft der Verblüffung durch eine negative Exposition an einer Stelle für sich, die traditionell dem mehr oder weniger umständlichen Beginn des Vorzeigens von Etwas, Jemand, Hier und Jetzt gewidmet ist“. Ein eigenartiges Lob. Wieso ist es weniger umständlich, mit „Nichts“ als mit „Etwas“ anzufangen, da man doch in beiden Fällen zu letzterem möchte? Unzulässig umständlich scheint mir jedenfalls davon zu reden, dieser Anfang habe „die Kraft der Verblüffung für sich“. Sicher, der Anfang verblüfft. Aber doch nicht deshalb, weil ein paar Negationen sich vor den Handlungsbeginn setzen. Verblüffend ist, daß die Handlung nicht einsetzt. Daß sie so bedeutungsschwanger aufgehalten wird, stößt ganz sicher eine Reihe Leser ebenso vehement ab, wie die Gemeinde davon angezogen wird.

Richtig gelesen habe ich in dem Band nur den Beitrag von Udo Kittler. Unter dem Titel „Karl May auf der Couch?“ versucht der Autor plausibel zu machen, daß Kara Ben Nemsi Effendi um die Jahrhundertwende in Lavarone auf den kurenden Freud gestoßen sein könnte. Die Terminkalender der beiden lassen sich freilich nicht so exakt übereinanderlegen, wie Kittler das gern hätte, aber so eng darf man das nicht sehen angesichts „der geographischen Möglichkeiten, der gemeinsamem Liebe zu diesen Landschaften“ zwischen Gardasee und Bozen. Die „Gemeinsamkeit“ jener Liebe sollte ja gerade erwiesen werden. Jetzt wird sie einfach behauptet. Argumentationen wie Tischerücken.

Zettelkasten 7, Jahrbuch der Gesellschaft der Arno-Schmidt -Leser, 1989, herausgegeben von Kurt Jauslin, Bangert und Metzler, 331 Seiten, 70 DM