Jedes Jahr ein Tankerunfall

■ Umweltsenatorin Schreyer will gegen Motorboote auf den überfüllten Seen vorgehen / Zahl, Geschwindigkeit und Größe sollen eingeschränkt werden / Immer mehr Bürgerbeschwerden / Denkbar: Schärfere Tempolimits und längere Fahrverbote

In der Koalitionsvereinbarung hatten SPD und AL die Motorboote noch verschont. „Da war es schon so spät“, erinnert sich die AL-Umweltexpertin Renate Hoff an die Verhandlungen, „und da haben wir dann gesagt: Lassen wir es mal raus“. Umweltsenatorin Schreyer sieht jetzt trotzdem „Regelungsbedarf“. Eine „zunehmende“ Zahl von BürgerInnenbeschwerden, so Schreyers Sprecher Dolf Straub, zwinge die Umweltverwaltung, sich Gedanken zu machen, wie der motorisierte Bootsverkehr eingeschränkt werden könnte. Ehe nicht im Herbst ein Gespräch mit dem ADAC stattgefunden hat, will Freizeitsegler Straub keine Details verraten, nennt aber drei Punkte, an denen der Senat ansetzen könnte: an der Anzahl der Boote, an ihrer Geschwindigkeit und ihrer Größe.

Wie eine „zahlenmäßige Begrenzung“ der schätzungsweise 20.000 privaten Motorboote auf den Berliner Gewässern denn zu bewerkstelligen wäre, wollte der Sprecher gestern nicht sagen. Tempolimits auf den Seen, Flüssen und Kanälen gibt es schon jetzt; doch seit langem fordern UmweltschützerInnen ihre Verschärfung.

Denkbar wäre auch, heißt es in der Umweltverwaltung, die Fahrverbote auzuweiten, die jetzt schon nachts und an jedem ersten und dritten Wochenende im Sommer gelten. Damit wagt sich die rot-grüne Regierung auf dünnes Eis: Als der Senat 1973 die jetzt geltenden Fahrverbote verhängte, sahen die BootsfahrerInnen schon das Ende ihres lärmenden Sports kommen und donnerten aus Protest mit schwarzen Fahnen über das Wasser.

Die Umweltprobleme, die die PS-Protze schaffen, sind gleichwohl seitdem eher größer geworden. In einem Vermerk hat die Umweltverwaltung ihre aktuellen Sorgen zusammengetragen. Sie bekümmert in erster Linie die wachsende Zahl großer Sportboote. Die BesitzerInnen großer Yachten brauchen nämlich aufwendige Vorrichtungen an den Ufern, sogenannte „Slip-Anlagen“, um die Boote an Land zu ziehen und wieder zu Wasser zu lassen. Immer mehr Uferabschnitte würden dafür bebaut, klagt Straub. Der Sprecher zählt weitere Probleme auf: Die Bugwellen schneller Sportboote waschen das Ufer aus, sie zerstören das Röhricht und belästigen Badende und WassersportlerInnen.

Die Öl- und Treibstoffreste, die die Boote verlieren, kommen „pro Jahr einem Tankerunfall gleich“ - so faßt der Biologe und Wasserschützer Manfred Krauß die Ergebnisse einer Untersuchung zusammen, die 1980 für den Bodensee gemacht wurde. Neben 21.000Kilogramm Öl ließen die 16.000Boote auf dem schwäbischen Meer 1980 755.000Kilogramm Benzin und Verbrennungsrückstände in den See laufen. Die Zahlen könnten auf Berlin durchaus übertragen werden: Auf 20.000 schätzt das Landeseinwohneramt die Zahl der motorisierten Privatboote; registriert sind etwa 14.000 Boote, deren Motorleistung 10PS übersteigt.

Anfang nächsten Jahres will die Umweltverwaltung von Gutachtern präzise ermitteln lassen, welchen Umfang die Bootsemissionen in Berlin haben. Dem Problem sei allerdings nicht beizukommen, indem man Ölauffangvorrichtungen verordne, meint Straub. Technisch sei das in vielen Fällen nicht möglich. Auch einem Boots-TÜV steht Schreyers Verwaltung kritisch gegenüber. Diese auch von den Motorbootvereinen öfters geforderte Kontrolle würde nicht nur Geld und Flächen fressen, sondern auch vom „eigentlichen Problem“ ablenken: dem der „großen Zahl“ von Booten. Auch das von der AL häufig geforderte Verbot von Zweitaktmotoren scheidet aus. Es wäre nach Straubs Angaben nicht nur rechtlich unmöglich, sondern auch von zweifelhaftem Wert: Motorbootfreunde, so die Befürchtung, würden dann auf größere Viertakter umsteigen.

hmt