: Gewalt gegen Richter und Anwälte
Weltweit wurden seit Anfang des Jahres 34 Juristen ermordet / Internationale Kommission der Juristen legt in Genf eine Dokumentation vor / Die meisten Übergriffe gibt es in Lateinamerika ■ Aus Genf Andreas Zumach
Weltweit mindestens 34 Richter und Anwälte wurden allein seit Anfang 1988 ermordet, gegen 38 wurde Gewalt verübt oder angedroht und 37 wurden inhaftiert. Sie hatten zumeist Regierungen, reiche Großgrundbesitzer oder Drogenkartelle und andere Verbrecherorganisationen durch ihre Arbeit gegen sich aufgebracht. Zum Auftakt ihrer „Kampagne zum Schutz von Juristen“ legte die „Internationale Kommission der Juristen“ (IKJ) gestern in Genf einem Unterausschuß der UNO -Menschenrechtskommission eine Dokumentation mit den 144 Fällen vor. Die meisten Gewalttaten gegen Juristen und massive Behinderungen ihrer Arbeit werden aus Lateinamerika gemeldet. In Kolumbien wurden seit Januar 1988 mindestes 20 Richter und Anwälte umgebracht, zumeist von paramilitärischen Gruppen. Ähnliche Gruppen ermordeten zwei Anwälte in Peru und bedrohten zahlreiche ihrer Berufskollegen mit dem Tod, falls sie sich in Fällen von Menschenrechtsverletzungen engagierten. Vor allem im Norden und Nordosten Brasiliens wurden laut IKJ-Report „im letzten Jahrzehnt Hunderte Anwälte wegen ihrer Rechtsberatung für Landarbeiter ermordet, bedroht und in ihrer Arbeit behindert. Die Täter wurden von den Großgrundbesitzern bezahlt.“
Auf den Philippinen wurden im Berichtszeitraum sechs in Menschenrechtsfragen engagierte Anwälte umgebracht und „Dutzende“ bedroht und in ihrer Arbeit behindert. In mehreren Fällen gibt es Hinweise auf eine Beteiligung von Armeemitgliedern. Die israelischen Behörden inhaftierten acht palästinensische Anwälte - darunter einige mit der Verteidigung anderer Häftlinge betraute - ohne daß bis heute Anklage erhoben wurde oder gar ein Prozeß stattfand. In Malaysia wurde der Vorsitzende Richter des höchsten Gerichts von der Regierung aus dem Amt befördert. Er hatte sich beim König privat darüber beklagt, daß die Regierung den Supreme Court mehrfach öffentlich angegriffen hatte, weil ihr einige seiner Urteile nicht paßten. Zwei weitere Richter, die die Amtsenthebung verhindern wollten, wurden ebenfalls gefeuert.
In fast sämtlichen der geschilderten 144 Fälle gab es bis heute keine Untersuchung. Im Rahmen ihrer Kampagne will die IKJ künftig jedes Jahr im August einen Bericht über den aktuellen Stand vorlegen. Der ehemalige oberste Richter Indiens, Bhagwati, leitet die Kampagne, die sich um die Unterstützung nationaler und regionaler Anwaltsvereinigungen bemüht. Ziel ist es, die „Regierungen zu mehr Respekt vor der Unabhängigkeit der Gerichtsbarkeit und zu effektiveren Schutzmaßnahmen für Richter und Anwälte anzuhalten“. Die UNO soll bessere Möglichkeiten und Instrumente zur Überwachung der Situation in ihren Mitgliedsstaaten und zum Eingreifen in konkreten Fällen erhalten.
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