: Kampagne mit Zerrbild
Anti-DDR-Kampagne westlicher Medien und Parteien zielt auf Destabilisierung des Landes ■ G A S T K O M M E N T A R
Der „Druck im Kessel DDR“ soll erhöht werden, um einen Führungswechsel zu erreichen. Honecker soll weg, die SED gleich mit. Eduard Lintner von der CDU/CSU -Bundestagsfraktion beschreibt sein Anliegen im Klartext. Und das ist so alt wie die DDR: 40 Jahre. Bereits seine Vorgänger haben davon geträumt, daß die DDR, die sie „Zone“ nannten, zusammenbrechen würde. Sie setzten auf Umsturz am 17.Juni 1953 und wollten im Sommer 1961 die Bundeswehr mit klingendem Spiel durch das Brandenburger Tor marschieren lassen. Die Folgen sind bekannt.
Flankenunterstützung von „links“ bekommen Lintner, Henning, Wilms unter anderen von jenen, die von „Demokratisierung im Eilzugtempo“ schwadronieren und „Sammlungsbewegungen der Opposition in der DDR“ herbeireden wollen. Sie leisten ihren Beitrag, ein Zerrbild der DDR-Wirklichkeit zu zeichnen: mit dem globalen „Stalinismus„-Vorwurf ebenso wie mit der Behauptung einer angeblichen „Reformunwilligkeit“ der SED. Es wird nicht zur Kenntnis genommen, was in der DDR in den letzten Jahren verändert wurde. Allein 1988 wurden zehn Gesetze beschlossen, um die Rechtssicherheit der Bürger zu stärken - um nur ein Feld zu nennen.
Für die Initiatoren der jüngsten Anti-DDR-Kampagne sind die ausreisewilligen DDR-Bürger in den bundesdeutschen Vertretungen nur Schachfiguren, die täglich den Stoff für ihre Medienkampagne liefern. Sie rechnen damit, daß sich DDR -Bürger das Leben im Westen anziehender und verlockender vorstellen als den DDR-Alltag. Die Vorstellung, dem Alltagsfrust zu entfliehen, „anders leben“ und unbeschränkt reisen zu können, wird häufig als Motiv für die Ausreise aus der DDR genannt. Daß im Westen viele Wünsche als Illusionen zerplatzen, ist dann nicht mehr auf den Titelseiten zu lesen.
Aber das interessiert die Kampagnenmacher nicht. Sie zielen auf Destabilisierung der DDR. Als Schlüssel benutzen sie Relikte des Alleinvertretungsanspruchs der Bundesregierung „für alle Deutschen“. Deshalb die bereitwillige Ausstellung von Bundespässen für DDR-Bürger und die beharrliche Weigerung, die DDR-Staatsbürgerschaft anzuerkennen. Es ist scheinheilig, wenn Bonner Politiker über die eingeschränkten Reisemöglichkeiten für DDR-Bürger lamentieren; sie selber bauen Hürden gegen eine Ausweitung auf.
Eine Politik, die sich zum Ziel setzt, „Druck im Kessel DDR“ zu erzeugen, gefährdet das bisher an Normalisierung im deutsch-deutschen Verhältnis Erreichte. Den Preis hätten nicht zuletzt die Westberliner zu zahlen. Klaus-Dieter Heiser, Chefredakteur der in West
Berlin erscheinenden Tageszeitung 'Die Wahr
heit‘, Zentralorgan des SED-Ablegers SE
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