Friedensvertrag mit beiden deutschen Staaten

Grüne Delegation fährt am Jahrestag des Überfalls nach Polen  ■ D O K U M E N T A T I O N

Aus Anlaß des 50.Jahrestages des Überfalls deutscher Truppen auf Polen will eine 15köpfige Gruppe der Bonner Grünen vom 30.August bis zum 5.September nach Polen reisen.

Nachfolgend dokumentieren wir eine Erklärung der Fraktionssprecherin Antje Vollmer und des Vorstandssprechers Ralf Fücks

Wenn schon die Regierung angesichts dieses historischen Datums versagt, dann sollte wenigstens die Opposition an diesem Tag in Polen präsent sein. Willy Brandt hat 1970 in Warschau mit einer historischen Geste einen Neuanfang in den bundesdeutsch-polnischen Beziehungen gesetzt. Der Warschauer Vertrag war ein großer Schritt von regierungsoffiziellem Revisionismus zur Anerkennung der durch den Zweiten Weltkrieg geschaffenen Staatsgrenzen. Mit diesem Schritt wurde der KSZE-Prozeß erst möglich. Zugleich verbesserten sich damit die Bedingungen für demokratische Reformen in Polen.

In diesem Jahr hatte Kanzler Kohl die Chance und die Verpflichtung, den durch Brandt eingeschlagenen Weg der Aussöhnung und Zusammenarbeit fortzusetzen. Er hat diese Chance versäumt, sei es aus eigenem Nichtwollen oder aufgrund seiner offenkundigen Abhängigkeit vom deutschnationalen Stahlhelm-Flügel in CDU/CSU und der fatalen „Rücksichtnahme“ auf das nationalistische Wählerpotential der „Republikaner“.

Während angesehene Repräsentanten der katholischen Kirche in der Bundesrepublik und Polen für die Anerkennung der polnischen Westgrenze durch die Bundesrepublik eintreten, kann der Finanzminister und CDU-Vorsitzende unbehelligt von der Richtlinienkompetenz Kohls dem Alptraum Großdeutschlands in den Grenzen von 1937 huldigen und die territoriale Integrität Polens infrage stellen. Ein führendes Mitglied der Bundesregierung stellt damit den Warschauer Vertrag infrage und macht sich zum Anwalt des neuen-alten Grenzrevisionismus der nationalen Rechten.

Dagegen fordern wir:

1. Als Fortschreibung der Entspannungsverträge mit Polen und der DDR und als Schlußkapitel unter die Geschichte des Zweiten Weltkriegs ist ein Friedensvertrag der Siegermächte mit beiden deutschen Staaten überfällig. In diesem Vertrag muß die polnische Westgrenze ebenso wie die Existenz von zwei deutschen Staaten definitiv anerkannt und allen Anwandlungen des deutschen Revisionismus der Boden entzogen werden. Zur Vorbereitung dieses Friedensvertrags sollte die Bundesregierung die Initiative für einen „runden Tisch“ zwischen den beteiligten Staaten ergreifen.

2. Ebenso überfällig und dringlich ist eine Regelung für die ehemaligen polnischen ZwangsarbeiterInnen in Deutschland, die das ihnen im NS-Staat geschehene Unrecht anerkennt. Die Grünen fordern für die noch lebenden ca. 700.000 ZwangsarbeiterInnen in Polen einen Betrag von je 2.000 Mark, der individuell ausgezahlt werden soll.

3. Wir fordern ein Ende der staatlichen Förderung von Vertriebenenverbänden, die Gebietsansprüche gegenüber osteuropäischen Staaten zum Programm gemacht haben. Damit wird eine Quelle des Unfriedens mit Steuergeldern aufrechterhalten. Wir empfehlen die Umwandlung der Vertriebenenverbände in Kulturvereinigungen.

4. Wir fordern die Bundesregierung auf, die Erneuerung der polnischen Volkswirtschaft zu unterstützen, im Vordergrund sollten dabei soziale und ökologische Ziele stehen. Konkret schlagen wir vor:

-Ein gemeinsames Ostsee-Schutzprogramm mit finanziellen und technischen Hilfen für den Bau von Kläranlagen und geschlossenen Brauchwasserkreisläufen in der Industrie;

-Ein Hilfsprogramm für das polnische Gesundheitswesen insbesondere für die unter Devisenmangel leidenden Kliniken des Landes;

-Ein Programm zur Förderung von Kooperativen in den Bereichen Landwirtschaft, Wohnungsbau und handwerklichen Dienstleistungen (...)

TeilnehmerInnen der Delegation der Grünen