: „Man kann auch Hunderter auf die Straße streuen“
Die meisten Fahrradsicherungen taugen nichts / Sicher sind allein dicke Bügelschlösser / Stiftung Warentest empfiehlt ■ Mit D I E B S T A H L S C H U T Z auf du und du
Die 08/15-Fahrradbesitzkarriere hat vor etlichen Jahren mit einem einfachen Speichenschloß angefangen und ist anno 1989 bei einem kiloschweren spezialgehärteten Stahlbügelschloß angelangt. Dazwischen liegen Lern- und Leidensphasen, in denen schier alles - meist erfolglos - ausprobiert wird: Nach dem ersten Fahrradklau wird aus dem dünnen Speichen ein codiertes Nummernschloß. Beim zweiten „Knack“ glaubt man sich schon schlauer, schließt es wenigstens mit einer Kette irgendwo an, am Zaunpfahl, Verkehrsschild oder Kellergitter im Hinterhof. Nach dem dritten Klau folgt die Trotzphase: Jetzt kauf‘ ich mir nur noch 'ne Schrottkiste. Werden die Diebe schon sehen, was sie davon haben. Pech nur, daß man selbst damit nicht glücklich wird. Das Fahren mit dem alten Rad macht erstens wenig Spaß und zweitens schützt auch der Rost vor Diebstahl nicht.
Folgt Phase vier: die perfektere Diebstahlsicherung. Eine dickere Kette wird angeschafft, und wer es ganz gut meint mit seinem Rad, kauft eine der neuen, nicht gerade billigen Drahtspiralen, die in vielen Fahrradgeschäften so wärmstens empfohlen werden. Nützen tun jedoch auch diese Sicherungsmaßnahmen nichts.
Die meisten Fahrradschlösser und Ketten, so hat in diesem Frühjahr die Stiftung Warentest in einem großangelegten Versuchsprogramm festgestellt, taugen bestenfalls zur optischen Abschreckung. Viele Vorhängeschlösser, auch wenn sie recht solide aussehen, lassen sich innerhalb weniger Sekunden mit einem Schraubenzieher oder einem Minibüchsenöffner knacken, wie er etwa zur Thunfischdose geliefert wird. Auch die diversen Eisenketten und Spiralen sind - bis auf wenige Ausnahmen - in der Praxis nicht mehr wert als ein Schild „Bitte nicht stehlen!“. Zumindest in den Großstädten, wo professionelle „Fahrradmarder“ mit armlangen Bolzenschneidern auf Klau-Tour gehen, nützen sie längst nichts mehr, und wer sein 1.500-Mark-Rad mit einer dieser „Kettchen“ oder Drahtspiralen anschließt, könnte ebensogut Hundertmarkscheine auf die Straße streuen.
Wer an seinem Zweirad hängt, nicht ständig fluchend ein neues kaufen und die Lust am Radfahren behalten will, hat nur eine Chance: auf den Preis des Rads noch einmal sechzig bis hundert Mark draufzulegen und eines der Schlösser zu kaufen, die nach den gleichlautenden Erfahrungen von Stiftung Warentest und der Kripo als absolut „knacksicher“ gelten.
Sechsundsechzig Fahrradsicherungen hat Stiftung Warentest in diesem Frühjahr von einem professionellen Fahrradmarder überprüfen lassen. Nur acht von ihnen galten danach als „uneingeschränkt empfehlenswert“. Sicheren Diebstahlschutz boten dabei spezialgehärtete Motorradketten mit Schlüsselschloß, die dann allerdings auch gleich zwischen ein und vier Kilogramm Gewicht mitbringen und um die sechzig, siebzig Mark kosten, und Motorradbügelschlösser, die häufig mit einer speziellen Halterung fürs Fahrrad angeboten werden. Spitzenreiter bei diesen beiden Arten der Fahrradsicherung waren bei dem Test vor allem Motorradketten - und Bügelschlösser der Firma Abus (genaue Ergebnisse in der Juninummer der Zeitschrift 'Test‘ der Stiftung Warentest).
Wem diese Schlösser zu teuer oder zu müh lig sind oder wer ganz auf Nummer sicher gehen will, kann noch bei einer Versicherung Zuflucht suchen. Wer noch vor 1984 eine Hausratsversicherung abgeschlossen hat, ist automatisch auch gegen Fahrraddiebstahl versichert. Allerdings ersetzen diese Versicherungen im Normalfall nur maximal 500 Mark. Nur wenn das Rad bei einem Einbruch aus dem eigenen Keller oder der Wohnung geklaut wurde, gibt es den vollen Kaufpreis zurück. Seit 1984 haben die Versicherungskonzerne ihre Bedingungen jedoch geändert, weil Fahrräder angesichts des Massenklaus eine „äußerst ungünstige Schadensbilanz“ aufwiesen. Wer jetzt eine Hausratsversicherung abschließt, bekommt sein gestohlenes Rad nur ersetzt, wenn es bei einem Einbruch aus der eigenen Wohnung oder dem eigenen (nicht: Gemeinschafts-)Keller gestohlen wurde. Für den Normalfall, den sogenannten „einfachen Diebstahl“ am Schwimmbad, im Hof oder an der U -Bahnstation muß das Fahrrad gesondert versichert werden. Die Hausratsversicherungen bieten dazu gegen einen prozentualen Aufpreis eine Zusatzversicherung an. Ihre Prämienhöhe bemißt sich am Wert des Fahrrads im Verhältnis zur Gesamtversicherungssumme des Hausrats. Wer zum Beispiel einen Hausrat von 30.000 Mark hat und ein 300 Mark teures Rad versichert, muß 15 Mark Aufpreis zahlen. Ein 1.500-Mark -Fahrrad zu versichern kostet dagegen beim selben Wert des Hausrats etwa 45 Mark im Jahr. Vorteil dieser Zusatzversicherungen zum Hausrat: Die Versicherer zahlen den vollen Wert des Fahrrads und nicht nur 500 Mark. Versicherungsschutz besteht jedoch nur, wenn die Bestohlenen genaue Angaben über Hersteller, Marke und Rahmennummer ihres Rads nachweisen können.
Als drittes werden noch spezielle Fahrradversicherungen angeboten, von denen jedoch ein Berliner Versicherungskaufmann meint, er könne guten Gewissens keine einzige empfehlen. Die meisten dieser Spezialversicherungen verlangen von ihren radelnden Kunden im Falle eines Diebstahls eine Selbstbeteiligung. Je nach Alter des Rads müssen die Bestohlenen zwischen 15 und 50 Prozent selber zahlen, was bei teuren Rädern dann schon einige hundert Mark ausmacht. Gängige Praxis ist auch, daß diese Spezialversicherungen den Vertrag sofort nach dem ersten Fahrradklau kündigen.
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