Käferhosenträger

■ 160 KDF-Wagen und ihre Fahrer auf dem Oktoberfestgelände / Metallic-Monster, Selbstmordwerkzeuge und Spardosen / Ja zum Käfer, Nein zu Tempo 100

Daß Käfer einander gleichen wie ein Ei dem anderen, ist ein Vorurteil. Daß wir in einer Klassengesellschaft leben, ist eine Tatsache. Ersteres war am Wochende auf dem „3. Käfertreffen des Berliner Käferclub e.V. im ADAC“ durch bloßen Augenschein leicht zu widerlegen; zweiteres bestätigte sich mit Blick ins Programm-Heft.

Der gemeine KDF-Wagen wird von den Käfer-Fanatikern in sechs Unterfamilien zergliedert: Klasse 1 bilden Käfer mit sogenanntem positivem Sturz der Hinterräder (O-Beine), Klasse 2 die mit negativem (X-Beine). Der dritte Stand der Luftgekühlten sind die „getunten“, wobei das weniger mit geschlitzten Kleidern als mit aufgesägten Hoch-PS -Hinterteilen zu tun hat. Die Klasse 4 baut sich lästerlicherweise ein Ford-V-8-Aggregat ein, Klasse 5 ist für den Straßenverkehr gar nicht erst zugelassen - sie hinterläßt viel zuviel Gummi auf dem Aspalt. Klasse 6 sind die echten Antiquitäten mit geteiltem ovalen Rückfenster und klassischer Blumenvase am Armaturenbrett, Käfer bis Baujahr '64 und älter. 160 solcherlei Gefährte starteten am Sonntag alle miteinder zum Korso durch die Innenstadt, das Linksabbiegen des Restverkehrs zu unterbinden. So erfüllte das nagelnd-bratzende Motorengeräusch die Luft ebenso wie die von keinem Katalysator verfälschten Abgase, und endlich beherrschten wieder die lachenden Käfergesichter (Rundscheinwerfer, Haubennase, Stoßstangenmaul) das Straßenbild.

Am eigentlichen Ort, dem Oktoberfestgelände, herrschte dagegen wüste Leere, wie auf einem Wolfsburger Werksparkplatz nach Schicht. Nur wenige echte Käferologen, erkennbar am WilhelmII-Bart und Hosenträgern am Bermuda -Short, waren geblieben und vertrieben sich die Zeit an den Ersatzteil- und Zubehörständen. Es sollte ihnen an nichts mangeln, nicht an der Hebebühne fürs Wohnzimmer, nicht an der gebrauchten Lichtmaschine und auch nicht am Porsche -Speedster-Bausatz aus Polyester, mit dem sich im Nu aus dem 13OOer das Jimmy-Deansche Selbstmordwerkzeug fertigen läßt. Auch Sekundärreliquien fehlten nicht: Käfer als Blumentopf, Tischdeckchen, Spardose, Aufnäher, Aufkleber, Haarspange, Uhr, Armband.

An einem der Büdchen war das kaum glaubliche Gerücht zu hören, der Käfer, der ab 1978 nur noch in Mexiko produziert und ab 85 auch nicht mehr als Import zu haben ist, käme wieder. Ein Gerücht, das auch die große Käfer-Vorsitzende Hannelore Stodieck nicht bestätigen kann. VW hat den Käfer fallengelassen, beschreibt sie die Motivation der Käfer -Clubber. Obligatorisch: das NEIN zu Tempo 100 und das JA zum ADAC. Die Mitgliedschaft kann in Notzeiten hilfreich sein. Ansonsten ist Frau Stodieck etwas mißtrauisch. Ihr wollt ja nur wieder schreiben, daß da schon der Adolf hinterm Steuerrad gesessen hat. Wie geleitwortete das Stellvertretende Berliner ADAC-Oberhaupt Oelschläger so schön in der Programmbroschüre über den Käfer: Wegbereiter der zunehmenden Motorisierung nicht nur in Deutschland, sondern auch in anderen Teilen der Welt.

kotte