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„Da erhält die Frau einen kleinen Brillantring ...“

■ Die lange Geschichte vom Aufstieg und Fall der Wohnbau-Design / 130 Millionen Mark Sanierungsgelder und die Kontaktpflege beim Bausenator / Ehemals besetzte Regenbogenfabrik noch immer im Besitz der Firmengruppe

„Ohne uns wäre das anders gekommen“, sagt Ulli Lautenschläger, ehemaliger Besetzer der Regenbogenfabrik. Die liegt in der Lausitzer Straße in SO 36 und gehört seit 1979 der Vogel/Braun-Gruppe und ihrem weitverzweigten Firmenimperium. Das firmierte zu Besetzerzeiten noch unter dem Namen der Dachgesellschaft Wohnbau-Design - damals eines der meistgehaßtesten Bauunternehmen. Die Regenbogenfabrik sollte abgerissen werden, statt dessen wurde sie im März 1981 besetzt. Während der Verhandlungen stellten die Besetzer fest, daß der Firma um die hundert Häuser, ein Großteil davon in Kreuzberg, gehört. Und an denen wollte man verdienen.

Unter Bausenator Harry Ristock (SPD) kassierte die Vogel -Braun-Gruppe 45 Millionen Mark für 23 Häuser aus dem sogenannten ZIP-Programm, einem staatlichen Modernisierungsprogramm. Das entsprach der Hälfte der gesamten ZIP-Gelder, die für ganz Berlin zur Verfügung standen. Danach förderte die Wohnungsbaukreditanstalt (WBK) 32 weitere Vogel/Braun-Häuser nach dem §17-Programm, mit weiteren 86 Millionen.

Damit die Wohnbau-Design ihre vielen Häuser modernisieren konnte, mußten die Mieter raus. Und da begannen die Probleme. Ihre Häuser wurden reihenweise besetzt. Auch die verbliebenen Mieter wehrten sich, denn §17 bedeutet Luxusmodernisierung und Mieten wie im sozialen Wohnungsbau damals 4,60 Mark kalt pro Quadratmeter. Nach langen Verhandlungen und unter dem Druck der Hausbesetzungen einigte man sich auf einen Mietpreis von 3,10 Mark pro Quadratmeter. Dafür wurde der Standard gesenkt: Keine Aufzüge im Haus, kaum noch Grundrißveränderungen in den Wohnungen, was eigentlich Voraussetzung für eine Förderung nach §17 ist. Die Kostenmiete betrug nur noch 21 statt 22 Mark, der Anteil an der Kostenmiete, den die WBK bezahlte, blieb mit etwa 17 Mark pro Quadratmeter gleich. Die restlichen fünfzig Pfennig Verlust trugen die Kommanditisten.

Nun ist Voraussetzung für die Bewilligung von Modernisierungsgeldern nach §17 der Nachweis eines „wesentlichen Bauaufwands“. Der Rechnungshof, der sich darüber nicht so sicher war, schaltete sich ein und berichtete 1982 Unschönes: Die Unterlagen der Wohnbau-Design seien nicht hinreichend aussagekräftig, das Verfahren der WBK zur Beurteilung der Förderungsvoraussetzung sei unzureichend. Außerdem seien an die Wohnbau-Design höhere Förderbeträge pro Wohnung bezahlt worden als im Berliner Durchschnitt üblich.

Einen von der AL beantragten Untersuchungsausschuß lehnte das Abgeordnetenhaus ab. Trotzdem kam ans Licht, daß die Truppe über gute Drähte zur Senatsbauverwaltung und zur WBK verfügte, nachdem Firmengründer Willy Freitag, der sich nach Luxemburg abgesetzt hatte, dem NDR-Magazin Panorama 1984 einiges erzählte:

„Wir hatten da einen tüchtigen und bekannten Mann, das ist der Herr Frieser... Und der ging ein und aus im Senat und beim Bausenator... Und wenn wir irgendein Problem hatten mit der Förderung, dann wurde Herr Frieser eingeschaltet... Da erhält mal die Frau einen kleinen Brillantring oder einen Perserteppich oder ein Verwandter eine günstige Wohnung.“ Und wen kannte Frieser? „Zum Beispiel den Herrn Peters (ehemaliger Vorstand der WBK, ist nun bei Becker & Kries), Herrn Schröder (damaliger Abteilungsleiter der WBK) oder Herrn Baumert (Abteilungsleiter beim Bausenator, danach Beirat bei einigen Wohnbau-Design-Firmen).“

Personelle Konsequenzen in WBK oder Bauverwaltung wurden weder aus dem Panorama-Beitrag noch aus dem Rechnungshofbericht gezogen. Die Wohnbau-Design stolperte letztlich darüber, daß Peter Braun 1985 zu drei Jahren und zehn Monaten Haft wegen Steuerhinterziehung verurteilt wurde. Für ihn trat Ingo Weißer in die Firmengruppe ein. Aber Braun ist heute schon wieder gut im Geschäft.

Heute besitzen die Gesellschaften der Bellevue GmbH, wie die Dachgesellschaft inzwischen heißt, fast 200 Häuser, davon 160 Altbauten. Auch die Regenbogenfabrik gehört noch dazu, in der seit langem ein Zentrum für den Kiez mit Kino und Cafe ist. Die Unsicherheit für die ehemaligen Besetzer, die einen befristeten Vertrag haben, bleibt. Denn es gibt zwar seit gut vier Jahren einen Beschluß des Kreuzberger Bezirksamtes, die Fabrik den Betreibern in Erbpacht zu geben. Dies scheiterte bisher, denn weder der zuständige Kreuzberger Finanzstadtrat Peter (CDU) noch der frühere Finanzsenator Rexrodt (FDP) zeigten allzu großes Interesse. Offizieller Grund: Niemand will die Kosten in Millionenhöhe für die Beseitigung einer alten Bodenverseuchung tragen.

Eva Schweitzer

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