: Rasante Karriere
Mit 26 Jahren war Galan bereits Minister, 1990 wäre er vermutlich Präsident geworden ■ P O R T R A I T
„Er hat Kolumbien im Kopf“ - vielleicht war dies das größte Lob für den 46jährigen linksliberalen Politiker Luis Carlos Galan, der am Freitag abend in Bogota ermordet wurde. Nicht einmal seine politischen Widersacher bestritten, daß er Kolumbien in all seiner Komplexität wie kaum ein anderer verstand. Luis Carlos Galan, der schon vor zwei Wochen nur knapp einem Attentat entkam, war über einen Zweifel erhaben: den der Korruption. Im Unterschied zu vielen anderen Politikern der Liberalen Partei stand er immer in der ersten Linie, wenn es darum ging, die dunklen Machenschaften der Drogenmafia öffentlich anzuprangern. Die Kokainbarone verziehen es ihm nicht.
Mit nur 26 Jahren wurde der Jurist und Wirtschaftswissenschaftler 1970 zum Erziehungsminister ernannt. Später sollte der redegewandte junge Mann Botschafter in Rom und Kongreßabgeordneter werden. Seine politische Karriere verlief rasant, so rasant, daß er 1979 die Trennung von der Liberalen Partei, einer der beiden großen traditionellen Parteien des Landes, wagte und seine eigene politische Bewegung, den „Neuen Liberalismus“, gründete. Mit einem fast sozialdemokratischen Programm, das sich deutlich von den eingefahrenen und korrupten Mechanismen der kolumbianischen Politik absetzte, und einem publikumswirksamen Auftreten, konnte Galan zwar die Mittelschicht der Großstädte für sich gewinnen, nicht jedoch die notwendigen Wähler anderer sozialer Schichten. Bei den Präsidentschaftswahlen 1982 und 1986 landete der nichtsdestotrotz populärste Politiker Kolumbiens abgeschlagen auf dem dritten Platz hinter den Kandidaten der Liberalen und der Konservativen Partei. Der gewiefte Taktiker Galan verstand es, aus dieser Erfahrung Konsequenzen zu ziehen: 1988 löste er den „Neuen Liberalismus“ wieder auf und schloß sich erneut der Liberalen Partei an. Ohne deren Wahlmaschinerie, erkannte er, würde er nie Präsident werden. Und tatsächlich wurde Galan binnen kurzer Zeit zum Spitzenkandidaten der Liberalen. Kurz bevor er starb, war gerade die letzte Runde um die Nominierung des Präsidentschaftskandidaten eingeleitet worden, und Galan lag zusammen mit dem eher reaktionären liberalen Bernardio Duran Dussan gut im Rennen, eine letzte Umfrage vor seinem Tod bestätigte seine immense Popularität: Er lag in der Gunst der Wähler mit über 60 Prozent vorn.
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