: Kunstlicht
■ Wxzellenz malen, Polen sehnen, HfK erweitert Kunstbegriff * Angestelltenkammer, Villa Ichon, Remberti-Galerie
Exzellenz malen, Polen sehnen, HfK erweitert Kunstbegriff
Angestelltenkammer, Villa Ichon, Remberti-Galerie
Murphy's 87. Gesetz: die Bedeutung von Kunstprodukten ist umgekehrt proportional zur Bedeutung des Produzenten. Zu überprüfen ist der Satz noch bis Freitag im Foyer der Angestelltenkammer in der Bürgerstraße. Der sechzigjährige Außerordentliche und Bevollmächtigte Botschafter der CSSR in der BRD, Dr. jur. Dusan Spacil, Ex-UNO-Vertreter, Ex -Atomenergiebehörden-Leiter, „Verdienter um den Aufbau“, Träger der „Goldenen Nadel der Liga für Völkerfreundschaft der DDR“ und der Medaille „1300 Jahre des Bulgarischen Staates“, zeigt allerliebste Ölchen und Aquarellchen von allen Orten der Welt, wohin ihn seine Dienstverpflichtungen trugen. „Anblick aus der Residenz“, „UNO-Hochhaus in NY“, „Pub in London“. Aber auch vier rote fischartige Biester, Titel: „Etwas abstraktes kann nicht schaden“.
Gdansk-Kunst in der Villa Ichon: Polnische Partnerstadtskünstler sind mit bewegten Aufbruchbildern präsent, die sich überwiegend mit „Revolution“ beschäftigen, sei es in Frankreich, Polen oder den Köpfen. Apokryph -ikonographisches zeigt Andrzej Lipniewski mit seinen drei schwimmenden Lokomotiven, Transportern geheimnisvoller Sehnsüchte zwischen de Sade und Mickey-Mouse. Die „boys of revolution“ von Kasimierz Kalkowski, vier Kerle, vor denen alle Eltern alle Kinder immer gewarnt haben, sitzen am Lenkrad und sind schon verkauft. Ein skeptischer Beitrag zum Thema „Ausbruch und Freiheit“ stammt von Ryszart Tomczyk: fiese Würmer verlassen über eine Leiter ihr wabenförmiges Gefängnis, um zu entdecken, daß die Welt bis zum Horizont aus ebensolchen Zellen besteht. bis 5.Sept.)
Prüfungsaufgabe: Erstellen von Kunstwerken, Einrichtung einer Ausstellung, Vermarktung. Der erweiterte Kunstbegriff, wie ihn die HfK anhand der Studentin Bernadette Lahmer in der HRemberti-Galerie am Fedelhören exekutiert. Die Tüchtigkeit von Nutzkunst kapriolt in der freien herum und kreiert die neue KünstlerIn: Sie hat Brot! Sechs Monate umgab sich die Kandidatin mit Breton und ecriture automatique, wachte und schlief mit den surrealistischen Manifestationen des „löslichen Fischs“. Es entstanden fraugroße Fotoarbeiten mit liegendem Adonis, Puppen/Babies, weiblichem Po und weiblicher Brust, in welche ein Aal beißen möchte. Überhaupt Fische. Die eigentliche Produktion spielt sich in der Dunkelkammer ab, Breton führt den Pinsel mit Langsamentwickler, die Taschenlampe. An technischer Präzision ist die Fritz-Haase-Schülerin nicht interessiert, ebensowenig daran, den „automatischen“ Produktionsprozeß zu reflektieren. Und bastelt so mit am Mythos der Unmittelbarkeit, der Authentizität („Es ist furchtbar viel von mir, was da an der Wand hängt“). Die offizielle Begutachtung hat noch nicht stattgefunden, drum las Herr Haase seine Laudatio in einem Anflug von Surrealismus stumm vor (fünf DIN A4 Blätter!). Der Einser ist Bernadette Lahmer aber sicher, der lang Liegende ist auch schon verkauft. (bis 28.August)
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