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Schock in der Berliner CDU

■ Nominierung von Volker Rühe als Nachfolger für den Posten des Generalsekretärs stößt auf Zurückhaltung / Diepgen „wird in Berlin gebraucht“ / Junge Union begrüßt Geißlers Ablösung

„Wie eine Bombe“ hat die Nachricht von der Ablösung Heiner Geißlers nach den Worten des Berliner CDU-Abgeordneten Ekkehard Wruck bei vielen Parteigenossen eingeschlagen. Er selbst sei fest davon ausgegangen, daß Geißler bleibe. Auf ihn könne die CDU gerade in der nahen Zukunft nicht verzichten. Zweifel hegt Wruck, ob sich „der Bundesvorsitzende das richtig überlegt hat“. „Negativ überrascht“ zeigte sich auch der CDU-Abgeordnete Uwe Lehmann -Brauns angesichts der Tatsache, daß der „alte Generalsekretär nicht auch der Neue ist“. Die Abberufung Geißlers hinterläßt in der Berliner CDU reichlich Unruhe und konsternierte Politiker.

Was Kanzler Kohl dann gestern morgen bei einer Pressekonferenz als Nachfolger aus dem Hut zauberte, stieß in der Berliner CDU auf gemischte Gefühle. „Ein geschickter Schachzug“, meinte der stellvertretende CDU-Sprecher Ansgar Vössing zur Nominierung Volker Rühes. Hätte man nach dem Aus für Geißler noch an ein Zugeständnis an die REPs glauben können, sei nun mit Rühe gewährleistet, daß es keinen Kurswechsel gebe. Geißler habe die Partei zuletzt in Freunde und Feinde unterteilt. Sein Nachfolger müsse jetzt die Lager integrieren. Sehr zurückhaltend äußerte sich der Parteivorsitzende Eberhard Diepgen aus dem Urlaub. Jeder Nachfolger Heiner Geißlers müsse sich an seinem Vorgänger messen lassen. Die Entscheidung über den Neuen in der Bonner Parteizentrale liege nun beim Bundesparteitag der CDU. Wruck bezeichnete Rühe zwar als „fähigen Mann“, ob der jedoch die neue Aufgabe wie Geißler bewältigen könne, wisse er nicht.

Eine Portion Schulterklopfen kann sich Helmut Kohl beim Berliner CDU-Abgeordneten Heinrich Lummer abholen. Man solle derartige Personalentscheidungen nicht kritisieren, meinte Lummer gestern und forderte seine Partei auf, Kohl angesichts bevorstehender wichtiger Wahlen und „entscheidender politischer Weichenstellungen zu unterstützen“. Auch aus der Ecke der Jungen Union (JU) vernahm man lautstarken Beifall. Der JU-Landesvorsitzende Gunnar John kommentierte die Abwahl Geißlers als „Befreiungsschlag“.

Geißler habe die CDU-Politik nicht modernisiert, sondern mit flachen politischen Themen ins Abseits gestellt. Zu seinem potentiellen Nachfolger äußerte sich die Junge Union zwar noch nicht, doch soll der sich offensichtlich an erzkonservativen Vorbildern wie Reagan und Thatcher orientieren. Die hätten gezeigt, wie man mit einer Politik der „einfachen Botschaften vor allen Dingen junge Menschen erreichen kann“.

anb

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