: Mehr Druck
Aktionsgruppe demonstriert gegen Aids-Politik des Senats ■ K O M M E N T A R
Volles Verständnis“ signalisierte gestern Gesundheitssenatorin Stahmer gegenüber den lebenden Leichen vor ihrer Amtstür. Und doch waren es - längst überfällig und vielleicht schon zu spät - nicht mehr als schöne Worte. Aids mit seinen erschreckenden Zahlen und grausamen Folgen, gerade in Berlin, ist lange schon kein Thema mehr. Nicht in den Medien und nicht an der Senatskasse. Die Hauptbevölkerungsgruppe hat den Sprung zur Risikogruppe nicht geschafft, und den „Risikogruppen“ schaut man mitleidig zu beim Sterben.
Doch so viele Aufgaben stehen an: in der Prävention, in der Betreuung, zur Abwehr der Diskriminierung in der Folge von Aids, in der Forschung. Die kosten Geld. Auf die berechtigten Forderungen folgt die alte Leier: Kürzungen, Sparmaßnahmen, vielleicht im nächsten Jahr. Und die rot -grünen Koalitionsvereinbarungen - zum Beispiel für ein Stop -Aids-Projekt - entpuppen sich zur Regierungszeit als Klientenfang. Geld ist da, in Bonn beispielsweise. Doch das geht in die Aufklärung, für bunte TV-Spots zum wohligen Grusel im Mehrheitsbevölkerungs-Fernsehsessel. Aufklärung für jene, die sie wirklich benötigen, fällt unter den Tisch
-zu „obszön“.
Da hilft nur noch der Druck von unten, von denen, die wirklich betroffen sind, niemand sonst nimmt ihnen die Arbeit ab. Sie haben Anspruch auf jede notwendige Hilfe. Und der Druck benötigt die deutliche Sprache: keine verschwiemelnden Amerikanismen wie „Act up“ und „Die-in“ und „SilenceDeath“ in der „Gay community“. Statt dessen Feuer unterm Arsch all jenen, die sich bewegen müssen: die Betroffenen, die noch immer den Ernst der Lage nicht begriffen haben, und die Verantwortlichen, deren Mitleid nach der Sonntagsrede aufhört.
Elmar Kraushaar
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