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Patriarchalische Mythen-betr.: "Ladies: Gets your Guns!", taz vom 12.8.89

betr.: „Ladies: Gets your Guns!“, taz vom 12.8.89

Die gesamte männliche nordamerikanische Bevölkerung ist mit Schußwaffen ausgerüstet und macht lebhaften Gebrauch davon. Jetzt ziehen immer mehr Frauen nach, um sich gegen sexuelle Gewalt verteidigen zu können. Die Waffenindustrie entdeckte nun die Frauen als neue Kundinnen und hofft auf einen höheren Absatz ihrer Schußwaffen. Was macht die taz aus solchen Tatsachen? Sie bläst gemeinsam mit Frauenzeitschriften ('Cosmopolitan‘, 'Mademoiselle‘), nicht genannten Frauenorganisationen und Waffengegnern sowie dem Bürgerkomitee „National Coalition to Ban Handguns“ gegen die schamlose Kundinnenwerbung. Doch dabei bleibt es nicht. Um die „schamlose“ Kundinnenwerbung aufzudecken, werden einige handfeste patriarchalische Mythen verbreitet.

1. Es wird behauptet, Frauen, die sich Waffen kaufen, würden sich zu Unrecht einbilden, daß sie jetzt vor Vergewaltigungen sicher seien. Keine Frau, die sich bewaffnet, tut dies, weil sie nun keine Angriffe mehr zu befürchten hätte. Im Gegenteil, eine Bewaffnung ist nur als Reaktion darauf zu bewerten, daß sie Angriffe befürchtet und sich dazu entschlossen hat, sich mit allen Mitteln zur Wehr zu setzen.

2. Es wird behauptet, Frauen vergrößern das Risiko einer Gewalttat oder verstärken die Gewalt, wenn sie sich bewaffnen. Nicht die Waffe kann das Risiko einer Gewalttat vergrößern, sondern die Vergewaltigung ist eine Gewalttat. Werden Frauen mit der Waffe zu einer Vergewaltigung gezwungen, verringert sich die Chance für einen erfolgreichen Widerstand erheblich. Leib und Leben der Frau sind doppelt bedroht. Hat aber eine Frau eine Waffe und schützt sich mit ihrer Hilfe, soll angeblich der Aggressor noch gewalttätiger und nicht eingeschüchtert werden. Dies ist schlichtweg die jahrtausendealte Lüge, daß Weinen und Flennen und Bitte-bitte-Sagen, den Mann von einer Vergewaltigung abhält. Im Gegenteil, auch der Angreifer hat Angst vor Schmerz, Verletzung und Entdeckung. Jede Selbstverteidigungstechnik wäre sinnlos, wenn der Angreifer nicht auch verletzlich wäre.

Sexuelle Gewalt läßt sich nach zwei Seiten gut vermarkten: Verkauf von Waffen an die Angreifer und an die Verteidigerinnen. Das ist Krieg. Peinlich ist nur, von Frauen zu verlangen, diesen Krieg zu beenden ohne die Abrüstung der Männer zu fordern.

Irmgard Schaffin, Bochum

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