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„Heiner, nimm dich nicht zu wichtig“

Erster öffentlicher Auftritt von Heiner Geißler nach seinem Sturz: Er scheint sich mit dem Verlust seines Postens als Generalsekretär abgefunden zu haben / Der innerparteiliche Wahlkampf wurde nicht eröffnet / Kein Interesse an einem Gegner von Helmut Kohl  ■  Aus Hamm Walter Jakobs

„Was der Kanzler da gemacht hat, ist schlimm, ganz schlimm ist das. Ich habe immer den Helmut Kohl verteidigt und seine Entscheidungen gerechtfertigt, aber jetzt, nee, jetzt ist wirklich Schluß.“ Um zu unterstreichen, für wie weitreichend er des Kanzlers Bruch mit Heiner Geißler hält, fährt der 16jährige Thorsten Schulte, seit zwei Jahren Mitglied der Jungen Union (JU) und der CDU in Hamm, fort: „Wenn er mich schon als Fan verloren hat, dann hat er in der Bevölkerung sicherlich Millionen verloren.“

Die Christdemokraten, die zusammen mit Thorsten Schulte am Donnerstag abend alle ein wenig nervös vor der Hammer Maximilian-Halle auf Heiner Geißler warten, sehen das, soweit sie sich offen äußern, jedoch alle anders. Sie sind zwar nicht „glücklich über diese Entscheidung so kurz vor der Kommunalwahl“, aber „zuversichtlich“, daß sich der Ärger „nach der ersten Aufregung wieder legt“.

„Die Sache mit dem Flugbenzin war dramatischer“

Niemand in der Runde, in der sich die Erwachsenen sammeln, widerspricht dem Bezirksvorsitzenden Norbert Lammert, der davon ausgeht, daß die Auswirkungen auf die Wähler „weit überschätzt werden“. Auch wenn man den für Wahlkämpfer typischen Anteil an Zweckoptimismus abzieht: es mehren sich die Zeichen, daß andere Kanzler-Entscheidungen die CDU wesentlich mehr aufgewühlt haben. Laurenz Meyer, CDU -Spitzenkandidat in Hamm: „Die Flugbenzinsache war auf jeden Fall dramatischer.“ Damals „hatten wir fünf Austritte, diesmal nicht einen einzigen“. Peter Bensmann, Landtagsabgeordneter aus Lünen, fragt einen Parteigänger aus der Geschäftsstelle : „Na, in Lünen einer ausgetreten?“ Und als man heftig den Kopf schüttelt, reckt Bensmann selbstbewußt den Kopf: „Siehste, in Lünen auch nicht.“

Der Bezirksvorsitzende Lammert, ein enger Gefolgsmann Geißlers, wiederholt zwar vor den Journalisten, daß er dessen Wiederwahl gewünscht hätte, aber er hat die Hoffnung aufgegeben, daß der Kohl-Coup revidiert werden könnte. „Ich glaube nicht an einen Gegenkandidaten“, sagt er mit Blick auf den Parteitag in Bremen im September. In Wetten um die Gegenkandidatur, die in der CDU gehandelt werden, will er nicht einsteigen. 60 zu 40 stünden die Chancen für eine Gegenkandidatur, hieß es am Donnerstag bei einigen „Erneuerern“ der CDU. Der Landtagsabgeordnete Horst Posdorf gehört zu den wenigen, die offen für die Alternative Süssmuth/Späth plädieren. „Der Mensch lebt von der Hoffnung, wenn es nicht dazu kommt, bin ich sehr traurig.“ Schnell fügt er hinzu: „Selbstverständlich mache ich in jedem Fall Wahlkampf.“

Abrupt endet das Gespräch mit den Funktionären und Kandidaten der CDU, als der Mann vorfährt, auf den hier alle warten: Heiner Geißler.

„Wir brauchen Geißler“

Die Junge Union reckt ihr Transparent, „Heiner, wir stehen hinter Dir“, die Blaskapelle spielt die Revier-Hymne „Glück auf, der Steiger kommt“, während im Saal sich alle erheben und stürmisch applaudieren. Heiner, der Kämpfer für die CDU, wird einmütig gefeiert, nicht jedoch Heiner Geißler, der Gegner von Helmut Kohl. Mit Erleichterung hören die Besucher die einleitenden Worte von Norbert Lammert, der Geißler als einen Mann vorstellt, den die Partei „auch in den nächsten Jahren braucht, an welchem Platz auch immer. Niemand darf hoffen oder muß befürchten, daß sich diese Partei auseinanderdividieren läßt. Wer hier heute die Eröffnung des innerparteilichen Wahlkampfes erwartet, der wird enttäuscht.“

Zwar macht Geißler am Anfang seiner Rede seine Gegnerschaft zu Kohl erneut klar, aber in mildem Ton. Dieser Mann scheint sich damit abgefunden zu haben, daß die jüngste Schlacht verloren ist. Er habe zwölfJahre für die Partei gearbeitet, und „an diesem Einsatz wird sich nichts ändern“. Und dann kommt die Ohrfeige für Kohl: „Die Sache der CDU ist viel zu gut und wichtig, als daß man sie wegen so etwas im Stich läßt.“ Er sei bereit gewesen, als Generalsekretär den Wahlkampf zu machen, „ich bin es auch als Heiner Geißler“. Und schon folgt die nächste Spitze gegen seinen Widersacher, diesmal mit Unterstützung von Papst Johannes XXIII. Dieser habe immer gesagt: „Giovanni, nimm dich nicht so wichtig.“ So halte er es auch, aber: „Liebe Leute, das gilt für alle. Keiner kann sagen, ich bin die CDU.“ Da wird heftig geklatscht, aber eine Anti-Kohl-Stimmung kommt nicht auf. Noch einmal wirbt Geißler für seinen Kurs - „der Generalsekretär der CDU ist nicht der Generalsekretär der Regierung“ -, doch dann ist die persönliche Abrechnung mit Kohl schon beendet.

Sehr gefragt: der Wahlkämpfer Heiner Geißler

Der Wahlkämpfer Geißler tritt auf, der das Land „nicht den Roten und Grünen“ überlassen will, die, wie man ja in Berlin sehe, die Drogen freigeben wollten, „die Polizei entwaffnen und die Gefängnisse öffen“.

Dieser kämpferische und demagogische Heiner Geißler ist nun wieder allen rundum sympathisch. „Bei Demonstrationen muß die Polizei vorsichtshalber die Vermummten grüßen, es könnte ja ein Vorgesetzter dabei sein.“ Der Mann weiß, wie man gegen Rot-Grün Stimmung machen kann. Auf diesen Geißler will niemand verzichten - aber auch nicht auf Helmut Kohl.

Wie das gehen soll? Lorenz Meyer deutet in seinem Schlußwort den Weg an: „Generalsekretäre werden vom Bundesvorsitzenden vorgeschlagen. Alles andere wählt der Parteitag. Wir wollen zusammen mit Heiner Geißler und unserem Kanzler eine schlagkräftige Truppe sein.“

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