piwik no script img

DIE FEINE ART DES SPONSORING

■ Die Funkfirma G. läßt im Musikinstrumentenmuseum spielen

Pünktlich zur Funkausstellung treibt die Firma G. aus Fürth in Bayern die Kultur um. Sie holt aus zum artistischen Mäzenatentum, neu-japanisch auch Sponsoring genannt. Ein gespreizter Rundumschlag, mit einer Ausstellung von CD-Cover -Collagen und sechs Konzerten, die schlicht nach einer Produktreihe des Hauses „Fine Arts Konzerte“ heißen. Den Sponsoren ist dabei kein Eisen zu heiß, um es nicht im Musikinstrumentenmuseum auszustellen. Das Angebot liest sich wie eine bunte Supermarktmischung: Swing zur Eröffnung, ein Klavier Recital mit Werken von Chopin, Schubert, Busoni und Liszt, bis zum Herrenquartett „Drops“ mit Vokalartistik.

Nachmittags dürfen die beteiligten Künstler Kostproben ihres Schaffens am Stand der Firma auf der IFA vorführen. Abends begibt man sich ins gediegene Ambiente des Musikinstrumentenmuseums zur musikalischen Darbietung. Das Publikum ist bemüht, sich einen Hauch von Kunstgenießertum ins penetrante Parfüm zu mischen. Wohl wissend, daß es heute nicht mehr ausreicht, eine sündhaft teure „High-End-Anlage“ im Palisandersarg zu besitzen, will man präsent sein an den Produktionsstätten des Hintergrundsounds zum persönlichen Lifestyle.

„Obwohl die Technik einen noch nie gekannten Qualitätsstandard erreicht hat, vermittelt auch die hochwertigste HiFi-Anlage nur die Illusion des Live -Erlebnisses, die den Besuch des Konzertes nicht zu ersetzen vermag.“ Fürwahr ein Dilemma, das die Firma G. hier beklagt. Aber für den Hersteller des „Fine Arts Esoteric Line CD -Röhrenvorverstärkers, der eigens für audiophile HiFi -Liebhaber mit extrem hohen Ansprüchen an die Übertragungsqualität digitaler und anderer hochpegeliger Signalquellen konzipiert wurde“ (Preis beim „Referenzhändler“ Karstadt lumpige 4.999Mark), ist kein Aufwand zu hoch. Man lädt zur Konzertreihe. Am ersten Abend im Museum: Pianist Thilo Wolf, zufällig auch im Fine-Arts -Valley Fürth beheimatet.

Immerhin hat Wolf Referenzen vorzuweisen, wenn er auch nicht die „Referenzklasse mit fünf Ohren“ als Testergebnis erreicht, die die Zeitschrift 'Audio‘ dem „Fine Arts CD -Player CD-9000 mit 16-Bit-Wandler, 4-fach Oversampling und vergoldeten Cinch-Buchsen“ großzügig attestiert. Thilo Wolf hat nur zwei Ohren und auch bei diesen muß man an der „Qualitätsstufe absolute Spitzenklasse“ („Stereo“ für den Amplifier A-9000“ im Heft 6/88) Zweifel hegen. Mit dem einen Ohr müßte er nämlich seinen Mitspieler und Kontrabaßisten Peter Cischeck hören, mit dem zweiten den Schlagzeuger Charlie Antolini, die beide genauso konsequent gruselig verpopte Melodiereigen von Gershwin bis Mozart aufbereiten wie der Chef persönlich. Aber das ist halt sein Metier, immerhin hat er schon mit Max Greger und Paul Kuhn gespielt. Denn „er liebt Big Bands“.

Wir um die Vierzig, zahlreich zum Beifallspenden erschienen, mögen eben Swing, vorallem wenn er von der richtigen Firma gesponsert wird, bei der sich der Artist auch gleich brav bedankt. Charmant wie er nun einmal ist, bringt er auch der Museumsleiterin, die Geburtstag hat, ein Ständchen. „The girl from Ipanema“.

Vielleicht erinnert sich das Kulturmanagement der Firma G., die sich „der hohen Kunst des Hörens“ verschrieben hat, nach Beendigung der IFA an sie, und spendet den „Integrated Stereo Amplifier A-903“, den „Radio-Data-System Syntheziser Turner T-905“ und die anderen „Komponenten“ ihres unauffällig zwischen den ausgestellten Instrumenten installierten „Turms“ der Sammlung. Quasi als vergoldete Zeugen des CD-Zeitalters, in dem es gleichgültig wurde, welche Musik man hörte, wenn nur die Anlage zur Einrichtung der Wohnung paßte.

Aber das macht gar nichts, so lange „hochwertige Luftspulen in der Frequenzweiche für Linearität im Baßbereich sorgen und das weit über die Hörgrenze hinauslaufende Bändchensystem zwischen den Kobalt-Somarium-Magneten mit extrem hoher Induktion schwingt“. Hauptsache, vergoldete Cinch-Anschlüsse, und die sind bei jedem Produkt der „Fine Arts Serie“ serienmäßig. Das nenne ich Kultursponsoring der „Referenzklasse“. Herr Hassemer wäre vor Freude in die Luft gesprungen, hätte er diese Konzertreihe noch persönlich erleben und eröffnen dürfen. Aber auch Frau Martiny wird ein Motivationsschub erfassen. Ist doch die Firma G. durch ihre gezeigte Kompetenz und Referenz geradezu prädestiniert, die Ausrichtung des Berliner JazzFestes zu übernehmen, das von Subventionsstreichungen bedroht ist. Live auf SAT1, die ARD guckt in den Röhrenverstärker und darf zeitversetzt die schwächeren Konzerte übertragen. F(e)ine Arts kommen auf uns zu.

Andreas Becker

Nächstes Konzert in dieser Reihe im Musikinstrumentenmuseum: Morgen 20Uhr mit Frank Bungarten, klassische Gitarre.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen