piwik no script img

Alliierte auf Abwegen

■ Klagen über private Spritztouren von US-Soldiers auf gesperrten Waldstraßen / Förster und Polizei machtlos / Theoretisch droht GIs Fahrverbot für ganz Europa

Daß es für die Sperrung von Waldstraßen naheliegende ökologische Gründe gibt, scheint auch einigen alliierten Gästen in der Stadt keineswegs einzuleuchten. Schenkt man Forstleuten Glauben, begnügen sich so manche US-Soldaten keineswegs damit, den Grunewald auf militärischen Befehl hin heimzusuchen. Den Berichten zufolge karriolen sie noch nach Dienstschluß mit ihren Privatwagen über Straßen und Waldwege, die durch Schilder deutlich für Autos gesperrt sind. Ein verdrossener Revierförster: „Die Amis fahren zum Beispiel privat und ohne Uniform lustig den gesperrten Kronprinzessinnenweg längs der Avus lang - mit ihrer Freundin ins Strandbad Wannsee oder mit ihrem Hund zum Gassigehen. Die nehmen auch munter eine ebenfalls nur für Fahrradfahrer und Fußgänger zugelassene Verbindungsstrecke von Eichkamp zur Havelchaussee.“

Eine Beobachtung, die das Landesfortsamt bereitwillig bestätigt. Der für Waldschadensprobleme zuständige Mitarbeiter Albert Vosteen: „Die Amerikaner fahren mit ihren Autos zum Privatvergnügen oder aus Neugierde generell nicht nur über gesperrte durchgehende Waldstraßen, sondern sogar über irgendwelche kleineren Holzabfuhrwege - wo es eben nur geht.“ Immerhin sind im Grunewald nach Vosteens Schätzung rund zwei Dutzend Forstwege mit einer Gesamtlänge von 50 bis 100 Kilometer ohne weiteres mit dem Auto zu befahren. Eigentlich seien fast alle Jagenlinien mit Ausnahme des sogenannten Grunewaldgrabens passierbar, ohne daß es dazu eines geländegängigen „Off-Road„-Bolidens bedürfe. Gängigste Begründung der gestoppten Missetäter: Man kenne aus dem Heimatland USA keine Fahrverbote durch den Wald; die Verbotszeichen sind angeblich übersehen worden.

Dabei sind Funkstreifenbesatzungen ziemlich machtlos. Aufgrund des Besatzungsstatus von West-Berlin dürfen deutsche Amtspersonen von „Schutzmacht„-Angehörigen keine Bußgelder kassieren. Wie bei anderen Verkehrsverstößen kann die Ordnungswidrigkeit nur an die zuständigen alliierten Stellen gemeldet werden. „Wobei ich doch zu wissen glaube, daß man da recht rigoros vorgeht“, so der Leiter des polizeilichen Straßenverkehrsdezernates, Wichmann.

Wie rigoros, erläuterte das amerikanische Hauptquartier an der Clayallee schriftlich. Grundsätzlich würden für Besitzer amerikanischer Privatfahrzeuge „dieselben Regeln wie für Berliner gelten“, hieß es. Werde dagegen verstoßen, erstatte die Militärpolizei Anzeige. Die vom jeweiligen Kommandeur des Militärangehörigen bearbeiteten Anzeigen hätten sodann die Zuteilung von „Verkehrspunkten“ zur Folge. Der geschilderte maximale Strafeffekt: „Bei mehr als zwölf Verkehrspunkten in einem Kalenderjahr verliert der Militärangehörige die Fahrerlaubnis für Europa.“ Dann freilich ist der Betroffene vielleicht schon längst wieder über den großen Teich zurück.

thok

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen