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Nicaraguas Opposition stellt Wahlprogramm vor

■ 14 Parteien, von der somozistischen Rechten bis zur kommunistischen Linken, einigen sich auf die „soziale Marktwirtschaft“ und die Abschaffung des Militärdienstes / Bislang ist noch keine Einigung auf gemeinsamen Präsidentschaftskandidaten erfolgt

Managua (taz) - Eine Liberalisierung der Wirtschaft und die Abschaffung des obligatorischen Militärdienstes sind die Kernpunkte des Programms, das die aus 14 Parteien bestehende nicaraguanische Oppositionsallianz UNO am Samstag in Managua der Presse vorstellte. Das Spektrum der UNO reicht von ehemaligen Somoza-Freunden bis zum stalinistischen KP-Chef Eli Altamirano, der sich von den Winden der Perestroika bis zum Bruderkuß mit den Contras treiben ließ. Dazwischen tummeln sich auch Parteien, wie die Unabhängige Liberale (PLI) und die Christlichsoziale Volkspartei (PPSC), die den Revolutionsprozeß in den ersten Jahren unterstützten. Dementsprechend dünn und verwaschen ist das ganze 15 Seiten umfassende Programm, das Samstag von den 14 Parteichefs öffentlich unterzeichnet wurde.

In vielen Punkten hat sich die rechte Mehrheit durchgesetzt. So etwa schon in der Präambel, wo von der „schärfsten Krise unserer Geschichte“ die Rede ist, die in erster Linie dem „diktatorischen und totalitären System sowie der katastrophalen Verwaltung des Sandinistenregimes“ anzulasten sei. Kein Wort über das Erbe der Somoza-Diktatur oder gar zur kriegerischen Destabilisierungspolitik Washingtons. So geht man auch davon aus, daß der Krieg automatisch zu Ende ist, wenn die UNO die Wahlen gewinnt. Der Militärdienst soll abgeschafft werden und die Armee in ein Berufsheer, das „den vorhandenen Mitteln angemessen ist“, verwandelt werden. Für die Tausenden Militärs, Sandinisten wie Contras, die mit einem Schlag ins Zivilleben zurückkehren, soll es Studienmöglichkeiten, Arbeitsplätze und bebaubares Land geben.

Bauern, die durch die Agrarreform unveräußerliche Besitztitel bekamen, sollen Eigentümer ihrer Scholle werden. Bauern, die sich verschulden, könnten somit ihre Parzellen verkaufen, womit der Besitzkonzentration auf dem Land Tür und Tor geöffnet würde. Enteignungen sollen im Prinzip nicht rückgängig gemacht werden, außer - und mit dieser Formulierung öffnet man allen enteigneten Großgrundbesitzern die nötige Hintertür - „solche, die auf Gesetzen beruhen, die die Menschenrechte verletzen“.

Ganze Passagen des oppositionellen Regierungsprogramms sind dem sogenannten „blau-weißen Plan“ entnommen, der den Parteien von Washington vorgelegt wurde. Die Wirtschaftspolitik soll von einem Nationalen Planungsrat entworfen werden, der sich aus Vertretern der Regierung, der Privatunternehmer, der Genossenschaften und den Arbeitnehmerorganisationen zusammensetzt. Das ohnehin schon aufgeweichte Außenhandelsmonopol des Staates soll gänzlich aufgegeben werden. Privatisierungen von Staatsbetrieben und Banken sind zwar nicht ausdrücklicher Teil des Programms, doch logische Folge der Liberalisierungspolitik. Im Rahmen der „sozialen Marktwirtschaft“, so stellte Ernesto Somarriba von der Liberal-Konstitutionalistischen Partei klar, wird es keinerlei Preisstützungen für Grundnahrungsmittel oder Preiskontrollen geben. Wozu auch? Schließlich werden - so verkündete das Programm wörtlich - „die Hungerlöhne abgeschafft“.

Eigentlich wollte die UNO an diesem Wochenende auch ihre Kandidaten vorstellen. Bisher ist aber nicht einmal klar, ob diese auch mit Konsens oder mit Mehrheitsentscheidungen gewählt werden sollen. Offiziell im Rennen sind bisher nur Erick Ramirez von der Christlichsozialen Partei, Bonifacio Miranda von der trotzkistischen PRT und der Ex-Sandinist und ehemalige Bürgermeister von Managua, Moises Hassan, der für die eklektische Linkspartei MUR antritt - ein Sammelbecken für Dissidenten aus den anderen marxistischen Gruppen. Bessere Chancen werden allerdings Violeta Chamorro Barrios, der Herausgeberin der oppositionellen Tageszeitung 'La Prensa‘, dem Unternehmer Enrique Bolanos sowie dem Führer der Unabhängigen Liberalen, Virgilio Godoy, eingeräumt.

Contra-Lager vor

der Auflösung?

New York (ap) - Die Vereinten Nationen und die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) wollen am 6. September mit der Auflösung der Contra-Lager beginnen. Eine internationale Kontrollkommission soll an diesem Tag die Arbeit aufnehmen, gab die UNO bekannt. Die Präsidenten der fünf mittelamerikanischen Staaten hatten am 7. August die Auflösung der Lager und die Repatriierung der 12.000 Contras vereinbart.

Ralf Leonhard

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