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Die Swapo und die Demokratie

„Stimmt für Männer und Frauen mit dem revolutionären Willen, dem ehrbaren Ruf, der Vision für eine bessere Zukunft, der Integrität, Erfahrung und der erwiesenen Fähigkeit, für die Interessen der namibischen Bevölkerung zu kämpfen“, fordert die Einleitung des Wahlprogrammes der südwestafrikanischen Volksorganisation Swapo die WählerInnen Namibias auf. „Solche Männer und Frauen sind in der Swapo vorhanden.“

Tatsächlich haben Kämpfer der Volksbefreiungsarmee Namibias (PLAN) seit Jahrzehnten für die Freiheit Namibias ihr Leben gelassen. Und ohne die zähen diplomatischen Bemühungen der Swapo wären die für den 6.November geplanten Unabhängigkeitswahlen nie Realität geworden. Dennoch wird in den letzten Wochen immer öfter gefragt, ob die Organisation sich wirklich eines „ehrbaren Rufes“ rühmen kann.

Im Zentrum der Kritik stehen die Vorwürfe von Hunderten von ehemaligen Gefangenen der Swapo, die der Organisation jahrelange systematische Folterung und gar Tötung von als „Spione Südafrikas“ denunzierten Mitgliedern vorwerfen. Die Tatsache, daß solche Übgriffe vorgekommen sind, akzeptiert inzwischen auch die Swapo-Führung öffentlich. Theo-Ben Gurirab, Swapo-Sekretär für auswärtige Angelegenheiten, gibt zu, daß einige Swapo-Offiziere in den Gefangenenlagern das „Recht selbst in die Hand genommen“ hätten. „Wenn diese Leute noch in Swapo-Strukturen gefunden werden, werden sie zur Rechenschaft gezogen“, versprach Gurirab.

Unklar bleiben jedoch Ausmaß und Motivation der wiederholten Säuberungsaktionen innerhalb der Swapo. Das wird in mühseliger Kleinarbeit erst untersucht und festgestellt werden können. Bisher hat die Swapo die Forderung nach einer unabhängigen Untersuchungskommission, die auch von amnesty international in ihrem neuesten Bericht zu Namibia gefordert wurde, abgelehnt. Betroffen von solchen Verhaftungen war sogar die Frau des Swapo-Präsidenten Sam Nujoma. Auch sie wurde als Spionin verdächtigt und verbrachte einige Zeit in einem Gefangenenlager. Dasselbe gilt für den ehemaligen stellvertretenden Schatzmeister, Aaron Muchimba.

Die Betroffenen sind zum Teil in dem sogenannten „Elternkomitee der Gefangenen“ organisiert, das eng mit rechten Organisationen wie der „Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte“ in Frankfurt zusammenarbeitet. Eine andere Gruppe hat sich um das ehemalige Mitglied des Zentralkomitees, Othy Kaakunga, gesammelt. Sie werfen der Swapo vor, vorrangig gegen Intellektuelle vorgegangen zu sein. Tatsächlich handelt es sich bei den Gefangenen zum großen Teil um Studenten oder Leute mit Universitätsausbildung und aus dem Süden des Landes. Auch die Vorwürfe, daß Stammesfehden gegen Swapo-Mitglieder, die nicht dem zahlenmäßig stärksten Stamm der Ovambos angehörten, durchgeführt wurden, sind nicht ohne weiteres auszuräumen.

Gut belegt ist zumindest die erste Säuberungskampagne 1976, als mehr als 1.000 Swapo-Mitglieder, darunter mehrere Mitglieder des Zentralkomitees, austraten und viele in Samibia verhaftet wurden. Prominentester Gefangener war der ehemalige Sekretär für Öffenlichkeitsarbeit und Mitbegründer der Swapo, Andreas Shipanga. Mitte der siebziger Jahre hatte die zunehmende Repression der südafrikanischen Besatzer gegen Swapo-Anhänger in Namibia zu einem Strom von Flüchtlingen nach Sambia geführt. Kritik an der Führung Nujomas wurde laut, vor allem, nachdem PLAN-Kämpfer von den sambischen Behörden entwaffnet wurden. Shipanga forderte einen Kongreß der Swapo, um neue politische Richtlinien festzulegen.

Doch der für 1974 angesetzte Swapo-Kongreß wurde kurzerhand abgesagt, und Shipanga und seine Anhänger landeten in Tansania im Gefängnis. Nur nach erheblichem internationalen Druck kamen sie wieder frei. Shipanga gründete daraufhin die „Swapo Demokraten“ (Swapo-D), eine Partei, die sich inzwischen an den von Südafrika eingesetzten Übergangsregierungen in Namibia beteiligt hat. Shipanga war sogar Kabinettsmitglied in der letzten derartigen Regierung.

Fragen des demokratischen Selbstverständnisses der Swapo bleiben allerdings bis heute offen. Seit 1969 hat es keinen Kongreß mehr gegeben. Statt dessen wird die Organisation politisch geleitet von einem etwa 50köpfigen Zentralkomitee (selbst Swapo-Mitglieder kenen seine genaue Größe nicht), das nach eigenem Gutdünken zusätzliche Mitglieder kooptiert. Die Exekutive der Organisation sitzt im Politbüro, dem etwa 17 Mitglieder angehören. Tägliche Geschäfte werden von Sekretären für verschiedene Angelegenheiten kontrolliert, von denen es etwa zehn gibt.

Ebenfalls unklar ist das Verhältnis zwischen den Militärs der PLAN und der politischen Führung der Swapo. Folterungen fanden unter Aufsicht der Militärs statt, wobei immer wieder die Namen des Verteidigungssekretärs Peter Mueshihange und des Sicherheitschefs Solomon Hawala auftauchen. Mueshihange wurde 1986 angestellt, nachdem sein Vorgänger Peter Nanyemba unter mysteriösen Umständen bei einem Autounfall ums Leben kam. Höhepunkt der internen Swapo-Auseinandersetzungen war sicherlich die ab 1984 beginnende Massenverhaftung von „südafrikanischen Spionen“. Über 100 von ihnen mußten auf Videos erzwungene Bekenntnisse über ihre Spionagetätigkeit abgeben, die dann in den Flüchtlingslagern in Sambia, aber auch im Ausland gezeigt wurden. Darunter waren auch Mitglieder des Zentralkomitees, von denen einer schon bei Verhören starb. Drei andere, Lucas Stephanus, Pejavi Muniaro und Victor Nkandi (den ai zuvor aus südafrikanischer Haft geholt hatte) sind seither „verschwunden“. Drei weitere Eric Biwa, Ben Boys und Othi Kaakunga - wurden fünf Jahre ohne Verfahren festgehalten und sind wieder frei. Berichte über Folterungen in den Gefangenenlagern sind, auch weil sie aus verschiedenen Quellen stammen, für wahr zu halten.

Höchstwahrscheinlich waren die PLAN-Führer dafür verantwortlich, daß zu Beginn des Unabhängigkeitsprozesses am 1.April Hunderte von Guerilleros aus Angola in den Norden Namibias einzogen. Das führte zu schweren Kämpfen mit südafrikanischen Einheiten, die mehrere hundert PLAN-Kämpfer das Leben kosteten und der Swapo international großen Schaden zufügten. Auf keinen Fall lag dieser Aktion ein Beschluß des Swapo-Zentralkomitees zugrunde.

Der Widerspruch zwischen den hierarchisch-militärischen Strukturen einer Guerillaorganisation und dem demokratischen Selbstverständnis von Basisorganisationen zeigt sich auch in den Spannungen zwischen der Swapo und internen, in Namibia selbst entstandenen politischen Gruppen. Nach südafrikanischem Beispiel sind innerhalb der letzten fünf Jahre unabhängige Gewerkschaften entstanden. Auch eine starke Schüler- und Jugendorganisation wurde gegründet. Eine Frauenorganisation kam nie zustande, angeblich, weil die Swapo-Führung im Exil die Kontrolle über eine solche Organisation forderte.

Was die Gewerkschaftsföderation NUNW (National Union of Namibian Workers) betrifft, so ist der langjährige Swapo -Sekretär für Arbeiterfragen, John Ya Otto, kurz nach seiner Rückkehr nach Namibia einfach zum NUNW-Generalsekretär ernannt worden. Denn: „In Wirklichkeit ist der Unterschied zwischen Swapo und den Gewerkschaften sehr klein“, sagt Ya Otto. „Swapo entstand selbst als eine Gewerkschaft. Und eine Swapo-Regierung wird dafür sorgen, daß die Interessen der Arbeiter beachtet werden.“ Ya Ottos Vorstellungen unterscheiden sich stark vom Selbstverständnis der Gewerkschaften, die ihre Autonomie, ihr Recht zu unabhängigen Lohnverhandlungen und zum Streik immer betont haben. Einzelne Funktionäre haben nach Ya Ottos Anstellung NUNW schon verlassen.

Interne Prozesse in Namibia hat die Führung der Swapo im Exil immer mit Mißtrauen beobachtet. Lange Jahre wurden so alle Entwicklungsprojekte innerhalb des Landes verboten, da sie angeblich die Besetzung des Landes erleichtern würden. Erst vor wenigen Jahren hat sich diese Einstellung etwas gelockert, und Projekte, die vom Kirchenrat in Namibia akzeptiert wurden, durften die Arbeit aufnehmen.

Ein Swapo-Anhänger, der anonym bleiben wollte, war letzte Woche jedoch weniger über die Vorwürfe gegen die Organisation als über die Reaktion der Führung in den letzten Wochen besorgt. „Sechs Wochen hat es gedauert, bis die Swapo endlich substantiell zu den Folterfragen Stellung genommen hat“, sagte er. „In den sechs Wochen hat die Organisation schweren Schaden gelitten.“ Die Unruhe und der Zweifel machen sich sogar im Hauptquartier der Swapo in Windhuk breit. Ein Mitglied hat sich vor kurzem einen eigenen Aufruf an die Wand vorm Schreibtisch geklebt: „Bleib bei der Swapo, arbeite für die Swapo, glaube an die Swapo, gib der Swapo deine Stimme!!“

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