: DER TIGER STIRBT ECHT
Indien? - Oh, das wird gestellt! Das Dschungel und die ganze Reise - das stellen wir alles und ebenso die Miß und die Verehrer. Nur eines wird nicht gestellt: der Tiger muß wirklich sterben. Versteht ihr, was das heißt? Und das Herz dreht sich euch vor Zorn im Leibe herum?
Ein Tier aus Notwehr töten oder um jemand anderen zu schützen, ja das mag hingehen! Aber daß man es so tötet, in einem gestellten Wald, auf einer fingierten Jagd, einem dummen Stück zuliebe - das ist wahrhaft verbrecherisch.
Es kommt eine andere Stelle vor, wo einer von den Verehrern der Miß unversehens auf seinen Nebenbuhler schießt. Man sieht den Rivalen taumeln und tot niederstürzen. Alles in bester Ordnung! Ist die Szene vorbei, so steht er vergnügt wieder auf und schüttelt sich den Staub von den Kleidern.
Das arme Tier aber, es wird nie wieder aufstehen nach dem tödlichen Schuß. Man wird den fingierten Wald wegräumen und zugleich den erschossenen Tiger, der mittendrin geblieben ist. Alles wird Schein gewesen sein und eine Komödie, nur sein Tod nicht - der war echt.“
Luigi Pirandello, Kurbeln, 1928.
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