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Wider die Puristen

■ Linke Medienkritik kann sich nicht in der totalen Verweigerung erschöpfen

Nun geht die größte Medienschau der Welt, die in Berlin den neuesten technologischen Output der Unterhaltungs- und Elektronikindustrie präsentiert, wieder ihrem Ende zu. Und die Aussteller sind zufrieden: Die Händler, so heißt es, greifen nach allem, was neu ist.

Zum festen Ritual gehört es da schon, daß sich auch jene treffen, die mit dieser Entwicklung hin zum Kabel unzufrieden sind. Fand vor vier Jahren noch eine „Internationale Bildstörung“ statt, die über Tage die Phalanx der linken Medienkritik anzog, so war das Potential an kritischem Widerspruch in diesem Jahr auf eine Abendveranstaltung beschränkt.

Nun ist die Position von Claus Eurich, dem Referenten, weder neu noch originell, sieht er für die Linken in der Entwicklung hin zum HDTV doch keinerlei Möglichkeit des Eingreifens noch des Gestaltens. Das Ganze sei falsch, wie er betont. Nun muß man diese Position als das sehen, was sie ist: die totale Verweigerung. Dies ist dem Menschen Eurich unbenommen. Aber wenn diese Position daherkommt, den Stand der Medienkritik von links auf den Punkt zu bringen, dann ist Widerspruch angesagt.

In einer Situation in der die Grünen sich langsam aus dem Würgegriff des Fundamentalismus befreien, in der sie mühsame Schritte machen, auf dem Feld der Medienpolitik originäre Positionen zu beziehen, ist die Forderung, sich auszuklinken, noch die einfachste Lösung. Auch das Bild von den fahrenden Zügen, die nicht aufzuhalten sind und auf den Abgrund zurasen, ist nicht neu. Angesichts eines solchen apokalyptischen Szenarios aber, das auch noch das kleinste Eingreifen (die Medienpädagokik beispielsweise) demagogisch als Placebo charakterisiert, ist jedes Handeln, will es sich nicht dem Verdacht der Inkonsequenz aussetzen, unmöglich.

Daß aber die Argumentation mit gleichsam totalitären Endzeitbildern politisch gefährlich ist, hat nicht nur die Ökologie-, sondern auch die Friedensbewegung gezeigt. Eine solch fundamentalistische Position, die einzig im Biotop der sozialen Kommunikation eine Zukunft sieht, scheint vergessen zu haben, daß in einem nahezu zwanzigjährigen Prozeß die neue Linke sich nur mühsam vom immer wieder aufbrechenden Medienpurismus freigemacht hat.

Die Position, das Mediensystem als differenziertes, widersprüchliches Potential zu begreifen, steht am Ende einer Debatte, die die Radiotheorie von Brecht ebenso rezipiert hat wie die Position von Enzensberger und in der die Linke nicht nur mit den Print-, sondern auch dem Radio ihre widersprüchlichsten Erfahrungen gemacht hat. Daß mit und durch die neuen sozialen Bewegungen seit 68 ein Aneignungsprozeß von unten stattgefunden hat, der ein breites Netzwerk alternativer Medien hervorgebracht hat, scheint Claus Eurich entgangen zu sein.

Zum Glück sind wir heute in einer Situation, in der die Berührungsängste mit den neuen Technologien der Vergangenheit angehören. Ich jedenfalls warte sehnlichst auf das erste HDTV-Studio der Linken, das natürlich eingebettet sein muß in ein Netzwerk kommunikativer Inseln.

Karl-Heinz Stamm

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