: Kleines Denkmal der Erfolglosen
■ Die Ausstellung „Nieder die Waffen, die Hände gereicht“ über Pazifismus in Bremen
Ein schwieriges Datum dieser 1.9.1989, Goldener Hochzeitstag des „Kriegsausbruchs“ oder seiner „Entfesselung“ oder wie man den Umstand des Überfalls der Deutschen auf die Polen noch mit Worten verhüllen kann. An allen Ecken und Enden der Republik werden Reden gehalten, und wie man mittlerweile weiß, können solche Reden eine Politikerkarriere erheblich abknicken.
In Bremen, zur Eröffnung der Ausstellung „Nieder die Waffen, die Hände gereicht“ über die Friedensbewegung in Bremen 1898 - 1958 im Staatsarchiv, traf es den Senator für Justiz und Verfassung, Volker Kröning. Da hat er sich aber sorgfältig vorbereitet, den Text zuletzt noch einmal umgeändert, und weil er so zufrieden damit war, hat er seine Rede dann Wort für Wort vorgelesen, ganz konzentriert, nur kein Versprecher bitte, gerade heute nicht, und hat sich kaum einmal verhaspelt, 10 Seiten stark, alle
Achtung. Viele Worte hat er gesprochen, von der Friedensbewegung damals und heute, von der deutschen Verantwortung gegenüber Polen, von der neuen Unsensibilität in deutschen Köpfen, ideologischen Tiefenströmungen und der Schädlichkeit des ewigen Wiedervereinigungsgeredes. Lauter honorige Themen, mit Ehrlichkeiten angereichert, die andere lieber verschweigen würden, doch wie man es auch dreht, was soll das? Da redet ein Mund, eine kleine Lesemaschine, liest, was da steht, perfekt, und ist kein bißchen beteiligt, keine Regung über die Mechanik der Mundwinkel hinaus, kein Fehler, auch kein Freudscher, kein Leben, im Ge
genteil.
Besser war da das Vorprogramm: Will Quadflieg, der Schauspieler, trug einige Kurzgeschichten von Wolfgang Borchert und Gedichte vor. Da reibt sich seine rauhe Stimme an den lakonisch spröden Texten Borcherts, da knurrt der deutsche Kasernenton, und die dabei waren, wissen plötzlich wieder, wovon gesprochen wird. Das Leben, das sonst eingegraben, beginnt mitzuschwingen, ein Hauch des realen Grauens der deutschen Möglichkeiten wird spürbar.
Die Ausstellung im Staatsarchiv interessiert sich für die Schwierigkeiten der amtlichen Redenhalter beim Umgang mit
dem Faschismus nur am Rande und für diesen selbst nur als einen Eckpfeiler in der Geschichte des deutschen Militarismus. Quer durch die Epochen und verschiedenen historischen Herrschaftsformen des deutschen Militarismus untersucht sie die ewig unterlegene Gegenströmung, den Pazifismus, und bemüht sich, die Erinnerung an seine bremischen Protagonisten wachzuhalten. Auf über 40 Tafeln dokumentiert sie mit Texten, faksimilierten Zeitungsausschnitten, Fotografien und Dokumenten Leben und Schaffen der verschiedensten bremischen Aktivisten vom Historiker und späteren Friedensnobelpreisträger Ludwig Quidde, der schon um die Jahrhundertwende dem Vorstand der Deutschen Friedens-Gesellschaft angehörte, über die frühe Frauenrechtlerin und Hausfrau Auguste Kirchhoff, die 1905 einen Kreis betuchter Frauen um sich scharte, die versuchten, die Not der geächteten ledigen Mütter zu lindern, und die später in Kaisers Krieg Redeverbot erhielt. Vom ewigen Kampf gegen das Kriegsspielzeug, der das ganze Jahrhundert durchzieht bis zu den Aktionen gegen die Wiederbewaffnung der BRD, gegen die Bundeswehrgründung, den Nato-Beitritt und die Atombewaffnung in den fünfziger Jahren.
Die Ausstellung, die auch noch in Bremens Partnerstadt Rostock gezeigt werden soll, ist ein Versuch, den Vergessenen, die erfolglos vor den deutschen Kontinuitäten gewarnt haben, das kleine Denkmal zu setzen, das bisher den Kriegshelden vorbehalten war.
step
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen