Sturm auf die Franzosenmauer

■ „Franzosenmauer“ um Heiligenseer Sandberge bringt Anwohner in Wallung / Umweltsenatorin Schreyer hatte den Zaunbau mit den französischen Militärs vereinbart

Das Kampfgebiet beginnt seit neuestem gleich hinter dem Gartenzaun der Familie Schoch. Mit geschwärzten Gesichtern und Zweiglein am Helm stürmen brüllende Soldaten den Abhang hinauf, bringen ihr Maschinengewehr in Stellung und rattern los. Nachts schlagen die Rekruten zuweilen hinter dem Garten ihre Zelte auf. Dann „grölen“, so die Klage von Ursula Schoch, besoffene Freiheitskämpfer durch die Nacht und pinkeln schon auch mal gegen den Jägerzaun.

Die Soldaten gehören zur französischen Armee, und der Ort der Kampfhandlungen sind die Heiligenseer Sandberge. Ein zwei Meter hoher Zaun, den Arbeiter im Auftrag der französischen Militärregierung seit Anfang Juli um das Gelände ziehen, bringt die Anwohner seit Wochen in Wallung. Die „Franzosenmauer“ soll „weg“ - diese Forderung haben schon 1.200 Menschen unterschrieben. Die Übungen direkt vor ihrem Gartenzaun seien die Antwort der Franzosen auf den Protest, glaubt Ursula Schoch.

Eigentlich sollte der Zaun, so hatte es die AL-nahe Umweltsenatorin Schreyer mit der französischen Militärregierung vereinbart, dem Naturschutz dienen. Die landschaftlich einzigartigen Sanddünen, bisher in Gänze französisches Manövergebiet, sollten aufgeteilt werden. Von einer 15 Hektar großen Fläche im Westen wollten die Soldaten sich in Zukunft „möglichst vollständig“ zurückziehen. Ihnen bleibt nun der östliche, 24 Hektar fassende Abschnitt. Während der Westen nur für Motocrosser gesperrt und Fußgänger offen bleiben wird, konnten die Franzosen den größeren Osten mit dem umstrittenen Zaun nun ganz für ihre Militärübungen reservieren. Die Umweltverwaltung spricht von einem „Kompromiß“.

Doch Wolf-Dieter Schoch sieht in dem Zaun allein einen Beitrag zum Manöverschutz. Hinter dem Drahtgitter, so seine Beobachtung, schießen die Soldaten um so ungehemmter, seit sie nicht mehr befürchten müssen, lustwandelnde Zivilisten zu erlegen.

Die Anwohner, das stört sie besonders, verlieren durch den Zaunbau auch ein Erholungsgebiet. Für sie war es zwar seit jeher verboten, das Manövergelände zu betreten; doch an übungsfreien Tagen hatten sich die Anwohner darum nie gekümmert. Die Manöver fanden in der Regel weit entfernt von der Siedlung am Elchdamm statt, zu der das Haus der Schochs gehört. Erst seit anderthalb Jahren rücken die Panzer immer näher.

Auf einen Beschwerdebrief, den Wolf-Dieter Schoch des Zaunbaus wegen am 23. Juli an die Franzosen schickte, erhielt er erst einen Monat später eine Antwort. Verbindungsoffizier Feffer versicherte Schoch seine „ungeteilte Aufmerksamkeit“. Über mangelnde Aufmerksamkeit kann sich die Familie, seit sie als Protestpotential bekannt ist, in der Tat nicht mehr beklagen: Die Soldaten üben jetzt vor dem Gartenzaun.

Militärübungen direkt neben der Wohnsiedlung, das findet allerdings auch bei Umweltsenatorin Schreyer Kritik. „Ein Zaun ist kein Lärmschutzwall“, erinnert ihr Sprecher Rogalla. Auch Reinickendorfs Baustadtrat Hampel (SPD) ist unzufrieden und will noch einmal mit den Franzosen sprechen. Eigentlich, so der Stadtrat, habe seine Behörde mit den Franzosen vereinbart, den Zaun nicht direkt vor die Wohnsiedlung zu rücken.

Vor wenigen Wochen probten die Anwohner schon einmal die Selbsthilfe. Ihre Autos stellten sie so umständlich an die Straße, daß die nebenan übenden Panzer nicht mehr durchkamen. Drei Tage später standen Halteverbotsschilder am Elchdamm. Das sei eine „Bitte“ der Franzosen gewesen, bestätigt Stadtrat Hampel.

hmt