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Die Wohnungsstichprobe „auf politischer Ebene verhindern“

Lenau Schraut (AL) will Bausenator Wolfgang Nagel (SPD) bei seiner Unterstützung der Mini-Volkszählung stoppen / Individueller Boykott mangels betroffener Masse schwierig  ■ I N T E R V I E W

Bausenator Nagel (SPD) hat die für 1990 geplante Wohnungsstichprobe als unerläßlich bezeichnet. Um die neue Wohnungsnot erfolgreicher zu bekämpfen, könne es gar nicht genug Daten geben, erklärte Nagel am Sonnabend. Bedenken im Hinblick auf den Datenschutz ließ Nagel nicht gelten. Die Einschränkungen nach dem Statistikgeheimnis gingen weiter als der allgemeine Datenschutz.

Das durch den anhaltenden Zuzug von Aus- und Übersiedlern verschärfte Wohnungsdefizit lasse sich nicht allein durch Neubau oder Modernisierung lösen. Auch eine zweckmäßigere Belegung des Wohnraums könne hilfreich sein. Die mit der Volkszählung 1987 verbundene Gebäude- und Wohnungszählung habe bereits wichtige Eckdaten geliefert. Die Stichprobe, die ein Prozent der Wohnungen betreffe, werde weitere wesentliche Daten bringen, wie beispielsweise Einkommen, Mietbelastung und Wohnumfeld sowie Unter- oder Übernutzung von Wohnraum.

Ganz anders sieht die AL-Datenschutzexpertin Lena Schraut die von der Bundesregierung in Bonn geplante „Stichprobe“, der sich - wie berichtet - Betroffene nicht entziehen dürfen. Für die rot-grünen Kontrahenten in Sachen zwangsweiser Bürgerbefragung gilt jedoch gleichermaßen, daß die Wohnungsstichprobe ein Produkt der Bundespolitik ist.

taz: Läßt sich die Wohnungsnot tatsächlich nur noch mit einer weiteren zwangsweisen Mini-Volkszählung bekämpfen, wie dies Bausenator Nagel jetzt betont?

Lena Schraut: Nein, natürlich nicht, die einzige Art und Weise, Wohnungsnot zu bekämpfen, ist das Bauen von Wohnungen. Das Problem beim Bauen von Wohnungen liegt ja nicht daran, daß Nagel nicht weiß, wie die Mieter sind oder wie das Wohnungsumfeld ist, sondern darin, daß es dank CDU -Senat an Geld und an geeigneten Bauplätzen mangelt.

Welche Gefahren siehst du als Datenschutzexpertin bei der Stichprobe?

Es werden eine Unmenge von Daten erhoben - zum Beispiel das Einkommen der Mieter -, die dafür überhaupt nicht benötigt werden. Die Gefahr besteht, daß die Daten dann zum Nachteil der Mieter ausgenutzt werden.

Könnte man von Berlin denn überhaupt noch etwas gegen diese „Stichprobe“ unternehmen?

Ja, man kann über den Bundesrat dagegen angehen und versuchen, andere Länder zu gewinnen, die ebenfalls dagegen sind. Das wäre auch dringend nötig, weil diese Wohnungsstichprobe wieder einen Haufen Geld kosten wird, das uns dann wiederum beim Bau der Wohnungen fehlt.

Wie wird sich die AL dazu konkret in der Koalition verhalten?

Wir werden versuchen, Herrn Nagel die Idee, die Wohnungsstichprobe zu unterstützen, auszureden.

Was kann man tun, wenn man plötzlich Bestandteil der Stichprobe wird? Ist ein breiter Widerstand überhaupt denkbar?

Das ist dann so ähnlich wie damals beim Mikrozensus. Es ist schwierig, Widerstand zu organisieren, der sich auf die Verweigerung der Beantwortung der Fragen bezieht. Man findet erfahrungsgemäß nämlich nicht sehr viele Leute, aber versuchen sollte man es auf jeden Fall. Sinnvoller wird es aber sein, zu versuchen, die „Stichprobe“ auf politischer Ebene zu verhindern.

dpa/Interview: Thomas Kuppinger

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