piwik no script img

Der Pazifismus des Führers

■ Wie die Deutsche Oper Berlin versuchte, den Naziliebling Richard Strauss zu rehabilitieren, und wie Bundespräsident Richard von Weizsäcker und seine Gattin sich dafür einspannen ließen

Am Sonntag wurde in der Berliner Philharmonie eine doppelte Gedenkfeier abgehalten. Anfang September 1989 jährt sich zum 50. Mal die Entfesselung des Zweiten Weltkrieges und zum 40. Mal der Todestag des Komponisten Richard Strauss. In Anwesenheit des Bundespräsidenten erinnerte die Deutsche Oper Berlin an beides mit der konzertanten Aufführung des Friedenstags, eines Einakters von Strauss, der Juli 1938 in München uraufgeführt worden war. Vergangenheitsbewältigung oder gezielte Rehabilitation eines Nazilieblings? Das Programmheft läßt letzteres vermuten eine faschistische Oper wird zum Friedenswerk umgelogen und gefeiert: „Als Bekenntnis zum Frieden in kriegslüsterner Zeit mußte das Werk schon bei der Uraufführung befremden“, steht da.

Das Gegenteil war der Fall: „Der 'Friedenstag'“, heißt es in einem Gutachten, das Goebbels schon 1936 über Strauss‘ Libretto erstellen ließ und das heute im Potsdamer Staatsarchiv der DDR liegt, „entbehrt keineswegs einer echt heroischen Haltung: ihr 'Pazifismus‘ ist auch der Pazifismus des Führers“. Goebbels schätzte die Oper - sie paßte blendend zu Hitlers Friedensbeteuerungen der Vorkriegszeit. Goebbels selbst setzte die Oper aufs Programm für eine Strauss-Ehrung während der Münchner Festspiele 1939: „Der Minister hat seinerzeit entschieden, daß für Richard Strauss ... eine großzügige Veranstaltung durchgeführt werden soll. Der Minister denkt sich den Hauptehrenabend folgendermaßen: Aufführung des 'Friedenstag‘ in der Oper, anschließend kurze Rede des Ministers mit Strauss, Ehrung, danach Empfang zu Ehren von Strauss.“ Auch in Wien wurde 1939 ein Abend zu Strauss‘ Ehren gegeben, am 11. Juni, Strauss‘ Geburtstag, und diesmal sogar in Anwesenheit Hitlers. Strauss‘ Dankesbrief: „Mein Führer! Herr Minster Dr. Goebbels hatte die Güte, mir Ihre freundlichen Glückwünsche zum 11. Juni zu überbringen! Mit meinem wärmsten Dank für dieselben möchte ich meiner besonderen Freude Ausdruck geben, daß Sie die Wiener Festvorstellung des 'Friedenstags‘ mit ihrem Besuch beehrt ... haben.“ (Der Brief liegt im Berlin Document Center) Und in der NS-Presse stand zu lesen, diese Oper sei die erste von Strauss, die aus dem Geist des nationalsozialistischen Ethos geboren sei.

„Was hätte man geschrieben“, fügt der Strauss-Hagiograph Walter Panofsky dieser Information hinzu, „wäre bekannt geworden, daß die Handlung von Stefan Zweig, dem überzeugten Pazifisten, entworfen worden war“? Aber Zweigs Pazifismus war von besonderer Art. Zweig schrieb: „Nun kann man die Idee des Völkerfriedens, wenn man will, immer verächtlich pazifistisch nennen, aber hier scheint sie mir doch ganz an das Heroische gebunden.“ Das wird sogar im Programmheft der Deutschen Oper zitiert, aber man fand wohl nichts dabei. „Heroisch“ ist die Handlung des Friedenstags allerdings: Der Kommandant einer hoffnungslos umzingelten Stadt im Dreißigjährigen Krieg ist mit dem Kapitulationswillen der hungernden Stadtbevölkerung konfrontiert und trägt andererseits den Durchhaltebefehl des Kaisers in der Tasche. „Er entschließt sich daher, die eigene Stadt mit Mann und Maus in die Luft zu sprengen.“ Wunderbarerweise bricht aber trotzdem der Frieden aus, gerade an diesem Tag geht nämlich der Krieg zu Ende. Da stimmt auch der Kommandant in den allgemeinen Jubel über die „Lebensglocken der Wiedergeburt“ ein.

Das Textbuch feiert den Kommandanten für seine Heldengesinnung. Aber der Text steht nicht im Programmheft der Deutschen Oper. Da steht: „Dem neurotischen Männlichkeits-Pathos des Kommandanten setzt seine Frau (...) ihr klares weibliches Nein entgegen“. Zitat aus ihrer Rolle: „Furchtbar ist der Ehre Gebot. (...) Geliebter, ich komme, mit dir zu sterben.“ Das das konnte man in der Philharmonie nicht hören, man hörte nur die „Musik“. Abseits im Foyer wurde immerhin auch das Textbuch angeboten. Als sprach- und kommentarloser Nachdruck der Originalbroschüre vom 1939. Die Anwesenheit des Bundespräsidenten machte die Infamie zum Staatsakt.

Michael Jäger

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen