: Intifada-Führung mahnt zu Disziplin
■ Gegen übereilte Hinrichtung von Kollaborateuren / Warnung vor psychologischer Kriegsführung der Israelis / Israel geht mit Massenausweisung ganzer Familien gegen den Aufstand vor
Tel Aviv/Berlin (taz) - Die Intifada-Führung will offenbar tödliche Abrechnungen in den eigenen Reihen besser unter Kontrolle bringen. In ihrem Flugblatt Nummer 54, das am Montag verbreitet wurde, ruft sie dazu auf, im Kampf gegen Kollaborateure mehr Vorsicht und Disziplin walten zu lassen.
Erfahrene und übergeordnete Kader sollten zu Rate gezogen werden, wenn es um die Überprüfung von Vorwürfen der Agententätigkeit für die israelischen Besatzungsbehörden gehe, und den Kollaborateuren müsse Gelegenheit gegeben werden, nach einer Verwarnung ihre Tätigkeit aufzugeben. Im neuen Dokument fordert die Untergrundführung des Aufstandes zudem Schüler und Studenten auf, die Schulzeit fürs Studium zu nutzen und die Kampfaufgaben erst nach Schulschluß und nur außerhalb der Schulen wahrzunehmen.
Überdies wird von der Intifada-Führung davor gewarnt, daß die israelischen Militärs im Rahmen der psychologischen Kriegsführung sich in telefonischen Anrufen immer häufiger als palästinensische Organisationen ausgeben, um Differenzen zwischen Gruppen und Familien hochzuspielen. Die Intifada -Führung bekräftigt das Verbot der Kontaktaufnahme mit Vertretern der Besatzungsbehörden.
In den letzten zwei Wochen sollen neue Spezialeinheiten, die nur für militärische Aktionen in den besetzten Gebieten zuständig sind, in der Westbank über 250 Palästinenser, vorwiegend junge Intifada-Aktivisten, festgenommen haben, die der Sicherheitsdienst aufgrund von Spitzelangaben auf eine schwarze Liste gesetzt haben soll. Dies hat unter den Palästinensern zu einer Verschärfung des Kampfes gegen Kollaborateure geführt.
Seit Mitte August wurden zudem ungefähr hundert Personen vorwiegend Frauen und Kinder - nach Jordanien zwangsausgewiesen und von ihren Familien getrennt. In der Regel wurden die betroffenen Personen nachts aufgesucht und sofort über den Jordan abgeschoben.
In einem Krankenhaus bei Tel Aviv erlag am Dienstag ein 15jähriger Palästinenser den Schußverletzungen, die israelische Soldaten ihm am 30. August im Gaza-Streifen zugefügt hatten. Er ist das 543. Opfer israelischer Soldaten oder Siedler, und die Intifada geht am kommenden Samstag in den 22. Monat.
Amos Wollin/thos
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen