: Geheimdienstskandal Nr.2 in der Berliner CDU-Spitze
■ Exbausenator Klaus Franke soll für die DDR spioniert haben / Franke vom Vorsitz des Ausschusses zur Kontrolle des Verfassungsschutzes bereits zurückgetreten
Berlin (taz) - Noch ist die Affäre Heinrich Lummer in vollem Gange, da wird bereits ruchbar, daß ein weiterer Berliner Exsenator dringend der Spionage für die DDR und/oder den sowjetischen KGB verdächtigt wird: Klaus Franke, ebenfalls CDU. Offiziell wird dieser Vorwurf noch unter der Decke gehalten. Doch hinter den Kulissen sind die Entscheidungen bereits gefallen. Klaus Franke, der heute für die CDU die zweite Sitzung des unmittelbar vor der Sommerpause neu eingerichteten Parlamentsausschusses zur Kontrolle des Verfassungsschutzes als Vorsitzender leiten sollte, ist von diesem Amt bereits zurückgetreten. Bei der routinemäßigen Sicherheitsüberprüfung, der alle Mitglieder dieses Parlamentsausschusses unterzogen werden, fiel Franke durch. Massive Bedenken hätten zu dieser Entscheidung geführt, verlautete aus dem Berliner Innensenat. Sie beziehen sich zum Teil auf bereits länger zurückliegende Kontakte Frankes zu einem Stasi-Agenten und auf neuere Erkenntnisse, die angeblich in Richtung KGB weisen. Ein harter Schlag für den heutigen Oppositionsführer Diepgen, der sich nun mit dem Verdacht konfrontiert sieht, ausgerechnet an seinem Kabinettstisch hätten mit Lummer und Franke in ihrer Eigenschaft als Innen- und Bausenator zwei Ost-Agenten gesessen.
Die „Affäre Lummer“ wird heute an der Spitze der Tagesordnung der Sitzung des „Ausschusses für Verfassungsschutz“ stehen. Auf einer Pressekonferenz listete SPD-Ausschußmitglied Hans-Georg Lorenz gestern die Fragen auf, die seine Fraktion beantwortet haben will. Unabhängig davon, daß ein Ermittlungsverfahren gegen den Unions -Rechtsaußen Lummer wegen Verjährung nicht mehr möglich ist, soll der Ausschuß neben den politisch relevanten Vorwürfen auch eine strafrechtliche Einschätzung abgeben. Insbesondere will die SPD geklärt sehen, ob sich Lummer der Strafvereitelung, Verletzung der Amts Fortsetzung auf Seite 2
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pflicht und der geheimdienstlichen Tätigkeit schuldig gemacht hätte könnte.
In die Pflicht sollen aber auch die früheren Regierenden Bürgermeister von Weizsäcker und Diepgen genommen werden. Beiden, wie auch den früheren Berliner VS-Chefs Natusch und Wagner, war die Affäre des Ex-Innensenators bekannt. Aus Angst vor einem Sturz Lummers hätten sie den Skandal vertuscht und damit ihre Amtspflichten gebrochen.
Selbst unter der Maßgabe, daß Lummers Beteuerungen zuträfen und er die Sicherheitsbehörden frühzeitig über seine Liebelei mit der Ostagentin informiert hat, bliebe immer noch zu klären, wieso dem CDU-Politiker dann die weiteren Kontakte nach Ost-Berlin nicht untersagt wurden.
Daß Geheimnisträger Lummer bei
seinem Tete-a-tete mit der 16 Jahre jüngeren Agentin keine Verschlußsachen ausgeplaudert haben soll, erschien dem Ausschußmitglied Lorenz unwahrscheinlich. Lummer wäre in der Vergangenheit manchmal so betrunken gewesen, „daß er nicht einmal den Vorsitzenden des Sicherheitsausschusses wiedererkannt hat“.
Sollten die Vorwürfe gegen Lummer heute nicht ganz aus der Welt geschafft werden - und das scheint außerordentlich unwahrscheinlich - wollen die SPD-Mitglieder, daß das heute tagende Gremium vom Abgeordnetenhaus mit den Rechten eines Untersuchungsausschusses ausgestattet wird.
Zu prüfen wäre dann auch, ob eine Sondersitzung des Ausschusses einberufen werden könnte. Der Untersuchungsausschuß hätte dann das Recht, alle Beteiligten der Spionageaffäre - von Lummer bis zu Weizsäcker - als Zeugen vorzuladen.
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