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AUF'M LAND

 ■ J A H R E S T A G E

Schlimm sah es nach dem 30jährigen Krieg in Lankwitz aus: von den neun Gehöften waren nur noch vier bewohnt. Nicht einmal einen eigenen Pfarrer konnte man sich leisten - der kam aus Schöneberg... Grauenvolle Zustände, an die sich die LankwitzerInnen heute nur ungern erinnern, hat man doch auch seinen Stolz. Und der verhilft ihnen schon seit Monaten, von notorischen Citoyens nahezu unbemerkt und zwei Jahre zu spät, zur bezirkseigenen 750-Jahr-Feier. Nachdem die Lankwitzer bereits eine historische Wanderung, einen Packen Ausstellungen, Chorkonzerte, Musizierstunden und nicht zuletzt „Das große Familienfest“, vom Bezirksbürgermeister (alle Lankwitzer sind mit ihm verwandt, siehe oben), absolviert haben, ist nun die „zentrale Ausstellung“ zugange: „Natürlich hat dabei auch das Dorf als Zentrum des bäuerlichen Lebens seinen Platz“. Für die notorischen Städter, die sich mangels Moneten und Zeit wochenendtäglich mit dem Fahrrad in die S-Bahn zwängen, um ans hinterletzte lauschige Waldseechen zu fahren, um dort genau die gleichen U-Bahn-Muffelgähner mit Liegestuhl am natürlichen Beckenrand wiederzufinden, könnte deshalb vielleicht an diesem Samstag um 15 Uhr ein lauschiges Serenadenkonzert am verträumten Bernkastler Platz (Moselwein aus Bernkastel!) das Wahre sein..., um sich dann einen Samstag später wie zufällig auf der Tanztenne beim Historischen Dorfauenfest an der Dorfkirche wiederzufinden... Wenn nicht, verführt das Kunstamt in die Siemensvilla, mit Zwanziger-Jahre-Musike zu besäuseln (abends nach dem Dorfauenfest), weiht der Bezirksbürgermeister schnell noch die Handwerkschronik, bevor sie auseinanderfällt (am 28.9.) und wird die Dreifaltigkeitskirche durch den Dreieinigkeits-Theaterkreis Trinitatis bebildert (31.10.). Und jetzt sage noch jemand etwas gegen die Pflege der dörflichen Kultur: Lankwitz ist seiner Zeit weit voraus, seit 750 Jahren dezentral.

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