: Beherrsche die Spielregeln!
■ S T A N D B I L D
(Gaukler, ARD, 20.15 Uhr) Regel Nr.1, sagt Walter zu seinem Kollegen, spiele deine Rolle und behalte deinen Text. Gefeuert, weil er es als drittklassiger Schauspieler wagte, gegen den Theaterchef aufzumucken, indem er ihn allzu wörtlich nahm, tritt Walter nun auf der Bühne des Lebens auf, wohl vergessend, daß es dort keine Souffleure gibt, aber auch erkennend, daß nirgendwo sonst so überzeugend gespielt wird.
Regel Nr.2: Bescheidene Schauspieler sind schlechte Schauspieler. Walter gibt sich nicht mit den Alltagsrollen ab. Bösewichter haben in dieser Welt den größten Erfolg, also spielt er einen Profikiller. Der Erfolg ist umwerfend, denn nie ging das (allerdings uniformierte und bewaffnete) Publikum derartig mit.
Regel Nr.3: Was du auch spielst, spiele es konsequent. Walter darf durch Fürsprache seiner Mutter in einem Film die Leiche spielen. Bei den Dreharbeiten werden die Särge verwechselt, der Sarg mit der echten Leiche steht nun in der Kulisse, während Walter als vermeintlicher General in die Grube gesenkt wird. Niemand im Filmteam merkt den Unterschied. Der Regisseur verlangt gar, daß der Tote neu geschminkt werden müsse, er sehe nicht tot genug aus. Der Maskenbildner ist begeistert, weil der falsche Walter ein so wunderbarer Zuhörer ist, die Mutter ist hingerissen, weil ihr Sohn ein so guter Schauspieler ist, daß sie ihn selbst nicht mehr erkennt. Der echte Walter mittlerweile, auf den bereits die Erdklumpen fallen, ist irritiert, weil die Ereignisse nicht mehr dem Drehbuch folgen, öffnet den Deckel und ruft nach dem Regisseur. Die Särge werden wieder ausgetauscht und Walter darf wieder die Leiche spielen. Ob echt oder nicht, keiner hat's gemerkt, Hauptsache die Szene sitzt.
Es spielt keine Rolle, ob jemand tot ist oder lebt, solange er nur die Rolle spielt, die von ihm verlangt wird. Der Filmemacher Gert Steinheimer präsentierte eine Parabel, die mit burlesken und tragikomischen Elementen eine Weisheit transportiert, die so alt ist wie die Kommunikation. Walter, mit Dackelblick und unbeirrbarer Naivität von Wolf-Dietrich Berg dargestellt, ist der Prototyp all derer, deren Identität längst tot ist, nur noch als Leiche vorhanden. Es spielt die Klischees, wie alle um ihn herum auch, und nur so wird er wahr- und ernstgenommen. Eigentlich ein trauriger Film, aber gelacht haben wir trotzdem. Wohl weil wir immer lachen müssen, wenn uns simple Wahrheiten so klischeehaft drastisch vor Augen gehalten werden.
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