: Beth verteidigt Skandal-Anhörung
Der rheinland-pfälzische Umweltminister kann keine Verfahrensmängel bei der Anhörung von Mülheim-Kärlich erkennen / Psychologen-Crew war zur Unterstützung eingesetzt / Privatsheriffs „handelten nach den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit“ ■ Von Thomas Krumenacker
Mainz (taz) - Der rheinland-pfälzische Umweltminister Alfred Beth (CDU) hat sich hinter die umstrittene Verhandlungsführung seiner Beamten beim Anhörungsverfahren für das Atomkraftwerk Mülheim-Kärlich in der vergangenen Woche gestellt. Zugleich beklagte sich der Minister vor dem wegen der skandalösen Vorfälle in Mülheim-Kärlich öffentlich tagenden Umweltausschuß des rheinland-pfälzischen Landtages über eine Medienkampagne gegen die von ihm bestellten Verhandlungsleiter. Die Erörterung sei in den Medien in einigen Teilen „hochgespielt“ worden, meinte Beth.
Der Minister, der erstmals seit der Anhörung öffentlich Stellung bezog, verteidigte auch die von einer privaten Firma vorgenommene Einlaßkontrolle in Form eines EDV -Abgleichs aller EinwenderInnen gegen die erneute Inbetriebnahme des AKW. Erst am Vortag hatte Beth bestätigen müssen, daß entgegen vorherigen Aussagen auch diesmal wieder Daten von EinwenderInnen an die AKW-Betreiberfirma RWE weitergegeben worden waren. Während die RWE von rund 300 persönlichen Daten sprach, gab Beth die Zahl mit rund 100 an. Begründung des Ministeriums: „Eine bürokratische Panne.“
Der Minister bestätigte erstmals den Einsatz eines Psychologen-Trupps, der die Anhörung planerisch begleitet habe. Zu Berichten, wonach sich sein Ministerium die gesamte Verhandlungsstrategie von der Münchner Firma „Intelligence System Transfer“ (ISD) habe aufdrängen lassen, sagte Beth nichts. Auch zu Gerüchten, wonach die Psychocrew auf eine gezielte „Eskalierungsstrategie“ gegen die KritikerInnen des AKW gesetzt habe, wollte Beth nichts sagen.
Die EinwenderInnen gegen eine neuerliche erste Teilgenehmigung für das seit einem Jahr durch Gerichtsbeschluß stillgelegte AKW hatten das atomrechtliche Erörterungsverfahren seit dem dritten Tag boykottiert, weil sie nicht mehr bereit waren, sich von Privatsheriffs im Auftrag des Umweltministeriums einer Leibesvisitation zu unterziehen und ihre Daten erfassen zu lassen. Wer sich dieser Prozedur nicht unterzogen hatte, durfte am Erörterungstermin nicht teilnehmen. Beth verteidigte den Einsatz der Privatsheriffs mit den Worten, sie hätten als „Werkzeuge der Verhandlungsführung“ nach den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit gehandelt - die Privatsheriffs hatten noch nicht einmal den ehemaligen CDU-Umweltminister des Saarlandes, Budell, eingelassen. Nicht alle EinwenderInnen gegen den Meiler seien mit friedlichen Absichten gekommen, unterstellte Beth, der zum „Beweis“ beschlagnahmte Messer und rohe Eier präsentierte. Eines dieser Messer stammt allerdings, wie zu erfahren war, aus der Tasche des Vorsitzenden des Umweltausschusses, Reisinger (FDP).
Beth kündigte den Einsatz einer Juristengruppe aus dem Umwelt- und dem Justizministerium an, in der „alle möglichen Mängel“ geprüft werden sollen. Am Ende könnte dann eine Neuauflage des Erörterungstermins stehen.
Gegen eine Neuauflage des Erörterungstermins und für einen Neubeginn des gesamten Genehmigungsverfahrens sprach sich die SPD aus. Die Grünen und die Bürgerinitiativen forderten darüberhinaus den Rücktritt Beths und das Aus für den „nicht genehmigungsfähigen“ Meiler.
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