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Mißbrauchmalbuch von der Kripo

■ Durch ein neues „Malbuch“ der Kriminalpolizei sollen sich Kinder vor sexuellem Mißbrauch schützen können / Holzhammer-didaktisch wird vor Berührungen an der Badehose gewarnt / Schulsenatorin: Broschüre „stört Urvertrauen“ zu Eltern und Bekannten

Wegen einer Broschüre, die Kinder vor sexuellem Mißbrauch schützen soll, ist es zwischen der Kriminalpolizei und der Schulsenatorin Sybille Volkholz zum Streit gekommen. Die Broschüre, eine Art Malbuch, das sich direkt an Kinder wendet, will die Polizei vor KiTas und Schulen verteilen lassen.

Die Senatorin, hat sich gegen die Aktion ausgesprochen. Das Heftchen (Titel: „Mein Körper“), eine Übersetzung aus den Vereinigten Staaten, nimmt sich, nicht nur in den Bildern, dem Thema in sehr grober schwarz/weiß-Manier an: Da ist die Rede von „guten“ und „bösen“ Berührungen, wird auf ganz schamhafte und bigotte Art lediglich „von Teilen meines Körpers unter der Badehose“ gesprochen, die entscheidenden Stellen kommen weder im Bild noch im Text vor.

„Gut“ ist, wenn der Zahnarzt die Kinder anfaßt, ihr Hund sie abschleckt, „böse“ ist, wenn die Schulkameraden an den Ohren ziehen und jegliche Berührung im „Badehosen„-Bereich. Dabei macht das Heftchen in keiner Weise deutlich, daß nicht jede Berührung auf Höhe der Badehose gleich ein Angriff ist, der Unterschied zwischen Berührungen beim Waschen oder Streicheln durch die Eltern und sexuellen Handlungen wird nicht gemacht. Zitat: „Jemand, den Du kennst, könnte versuchen, Dich an den Teilen Deines Körpers anzufassen, die von Deiner Badehose bedeckt werden.“ Wegen der Holzhammer -Didaktik hatte Schulsenatorin Volkholz bereits im Vorfeld Bedenken gegen die Broschüre erhoben: „In dem Heft wird das kindliche Urvertrauen zu den Eltern und Bekannten erheblich gestört.“ Doch die Fertigstellung des Malbuchs (Auflage: 30.000) war nicht mehr aufzuhalten, und so blieb die Seite, auf der ein Vorwort der Senatorin stehen sollte, leer. Jetzt hat sich lediglich Polizeipräsident Scherz vorn verewigt. „Ihr merkt schon - in diesem Malbuch geht es auch um das Lernen und um Euren Schutz. (...) Ich wünsche Euch beim Malen, Lesen und Lernen viel Freude und Erfolg.“

Der Pressesprecher des Schulsenats, Stefan Woll, erläuterte gestern gegenüber der taz die Bedenken: „Das Heftchen suggeriert den Kindern, daß alles was sie unter der Badehose haben ein böser Bereich ist.“ Außerdem könnte „durch das spielerische Prinzip des Ausmalens das Mißtrauen gegen Eltern und Nachbarn manifestiert“ werden. Da der Schulsenat die Verteilung durch die Polizei „nicht durch eigene Ordnungskräfte verhindern“ könne, so Volkholz-Sprecher Woll, sei für die nächste Woche ein Gespräch zwischen Polizei und der Schulbehörde angesetzt worden. Dort solle geklärt werden, wo und wie die Broschüre verteilt werden soll, und ob Schulsenat und Polizei „zusammen ein neues Heft entwickeln können, das auch die Zustimmung der Senatorin findet“.

kotte

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