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Senatoren mauern beim Datenschutz

■ Keine Auskunft in Sachen APIS-Datei / Die verantwortlichen Politiker streiten sich hinter den Kulissen

Nicht nur der Senat und die Bürgerschaft, sondern auch „alle für den demokratischen Rechtsstaat engagierten Bürger sind aufgeru

fen, sich um den Datenschutz zu kümmern“, so schrieb der Bremer Senator für Justiz und Verfassung im Juni 1989 ins Vorwort

einer 140-Seiten-Broschüre. Wer sich aberengagiert, einen kritischen Punkt des Datenschutzes genauer zu beleuchten, stößt aber auf erhebliche Blockaden.

In zwei Artikeln berichtete die taz darüber, daß der Senat (federführend: der Justizsenator) den diesjährigen Bericht des Datenschutzbeauftragten mit harscher Kritik zurückgewiesen hatte (vgl. taz v. 22.8.). Er sei nicht lesbar, zu lang und beziehe sich zu 40 Prozent auf Bundesangelegenheiten, monierte der Senat.

Eine Bundesangelegenheit ist zum Beispiel der Computer des Bundeskriminalamtes APIS. Nach Auffassung aller Datenschutzbeauftragten gibt es für diesen Computer keine Rechtsgrundlage. Der bremische Staatsschutz gibt aber reichlich Daten nach Karlsruhe. Mindestens 50 Prozent der Speicherungen beträfen Bagatell-Fälle, die beim BKA nichts zu suchen hätten, steht im Datenschutzbericht. Beispiel: Eine Demonstration gegen Jugendarbeitslosigkeit.

Nicht nur dies: Der Bremer Staatsschutz benutzt den BKA -Computer als „Aktennachweissystem“. Das bedeutet, wenn in einer bremischen Staatsschutz-Akte ein Name verzeichnet ist,

und sei es auch nur als Zeuge, dann erfährt jedes andere Landeskriminalamt: Über die Person XY existiert in Bremen eine Akte. Der Datenschutzbeauftragte hat dies moniert (vgl. taz v. 28.8.).

Anfrage beim Justizsenator, wie diese Praxis zu rechtfertigen sei. Antwort: Der Justiz-Senator ist zwar federführend, aber nicht zuständig. Die Senatsantwort im Punkt APIS hat das Innenressort formuliert. Anfrage beim Innenresssort. Senatsdirektor Kauther erklärt, seinem Verständnis von parlamentarischer Demokratie entspräche es, wenn er erst dem Parlament Rede und Antwort stehe und dann der Presse (die Parlamentsdebatte wird kaum vor Jahresende stattfinden).

Bitte an den Vorsitzenden des Datenschutzausschusses, Horst Isola, um eine Stellungnahme. Antwort: Bevor der Ausschuß das Thema nicht beraten hat, gibt es keine Stellungnahme.

Frage an den Datenschutzbeauftragten Alfred Büllesbach, ob er zu einem Interview bereit sei. Antwort: Erst muß der Ausschuß das Thema beraten haben.

Das wird vielleicht Ende Oktober sein. Wenn die zuständigen Politiker derart mauern, dann ist eines klar: Hinter den Kulissen

kracht es enorm. So räumt Kröning ein, die Begründung des Innensressorts sei eine „Krücke“ und vielleicht „wackelig“. Aber der ehemalige Innensenator Kröning will seinem Amtsnachfolger Peter Sakuth nicht in die Suppe spucken. Bei der Polizei denkt man derweil darüber nach, ob zumindest das „Aktennachweissystem“ aus dem BKA-Computer rausgenommen werden kann.

Die salbungsvollen Worte in der Senats-Stellungnahme, der Datenschutz werde in der bremischen Verwaltung „routiniert, umsichtig und mit der gebotenen Sorgfalt“ beachtet, soll den Ämtern ein wenig Verständnis für ihren Ärger mit dem Datenschutzbeauftragten signalisieren. Die tagtägliche Realität sieht anders aus. In der vergangenen Woche mußten sich die SPD-Innendeputierten mit dem Thema Meldedaten -Übermittlungs-Verordnung befassen. Neun Anträge lagen vor, in denen Ämter neue „on line„-Verbindungen zur Meldebehörde haben wollten, allen voran Polizei und Staatsanwaltschaft. Neun mal hatte der Datenschutzbeauftragte Bedenken. Neun Mal schlossen sich die SPD-Parlamentarier an und votierten gegen die Behörden-Anträge.

K.W.

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