: Kohl: „Erfolge erlitten“
Der Kanzler verabschiedet Geißler kohlgemäß mit einem Versprecher / Geißler revanchiert sich mit gemäßigter Kritik ■ Aus Bremen Ferdos Forudastan
Schulterschluß demonstrieren - dies war offensichtlich der Appell Helmut Kohls an seine Partei auf dem Bundesparteitag der CDU in Bremen.
Sich auf den „Wahlmarathon“ des kommenden Jahres vorzubereiten, werde die ganze Aufmersamkeit der Partei erfordern, und alles andere habe dahinter zurückzustehen, „unnötige Querelen, Zänkereien und Profilierungssucht schaden uns“ rief er den Delegierten zu. Auf die in den letzen Wochen zum Teil heftig geübte innerparteiliche Kritik an seiner Person und dem Rauschmiß von Heiner Geißler ging der Vorsitzende kaum ein. Er bedankte sich nur kurz bei Geißler, wobei er auch erwähnte, daß sie beide „gemeinsam große Erfoge erlitten...äh, erzielt“ hätten. Seine Entscheidung gegen Geißler begründete er so: „In der Frage, wie sie ihre Ämter verstehen und ausfüllen, müssen sich Parteivorsitzender und Generalsekretär einig sein. Diese Einigkeit hat in der letzten Zeit nicht mehr bestanden.“ Kohl fügte lediglich hinzu, daß er die Kandidatur Geißlers zu einem der stellvertetenden Vorsitzenden der CDU unterstütze. Selbstkritik übte der Parteivorsitzende nicht. Lediglich „bessere und intensivere Überzeugungsarbeit“ müsse die Union leisten, offener und bürgernäher sein. Um „Verkrustungen und festgefahrene Strukturen“ zu lösen, müßten mehr Frauen und junge Leute für die Partei gewonnen werden.
„Es sind unsere Ideen, die sich auf unserem Kontinent und weltweit durchsetzen - Ideale der CDU, die unsere Bundesrepublik Deutschland in über vierzig Jahren geprägt haben.“ Mit dieser und ähnlichen anderen Einschätzungen beurteilte Helmut Kohl die Arbeit der Union in den letzten Jahren. Kohl lobte ausführlich die Ost- und Deutschlandpoltik der Bundesregierung und grenzte diese scharf von der der SPD ab. In der Frage der Haltung zur DDR habe die SPD längst keine Kraft mehr. Allzulange hätten die Sozialdemokraten Gemeinsamkeiten mit der SED gesucht und sich bei anderen kommunistischen Staatsparteien im Warschauer Pakt angebiedert. Anders als der Moskauer Vertrag hat nach Ansicht Kohls die von ihm und Gorbatschow unterzeichnete gemeinsame Bonner Erklärung aufgezeigt, „wie die Trennung Europas friedlich überwunden werden kann.“ Die DDR-Flüchtlinge hieß Kohl schon zu Beginn seiner Rede ausführlich willkommen.
Wie bei jeder anderen Rede warnte Kohl auch diesmal vor radikalen Parteien am linken und am rechten (in dieser Reihenfoge) Rand des politischen Spektrums. Grüne und „Republikaner“ verfolgen nach seiner Aussage zum Teil übereinstimmende Ziele.
Auch der scheidende Generalsekretär Heiner Geißler setzte auf Harmonie. Zwar kritisierte er die Entscheidung Kohls, die ihn seinen bisherigen Posten kostete: die Partei räume dem Generalsekretär dann, wenn der Parteivorsitzende gleichzeitig Bundeskanzler ist, in der Führungsstruktur der Partei einen Platz ein, „der das politische Profil und die Eigenständigkeit der Partei in der Regierung und innerhalb der Koalition sicherstellen soll. Insofern ist das Verhältnis des Parteivorsitzenden zum Generalsekretär nicht in erster Linie ein Problem der persönlichen Beziehungen, sondern ein Problem, das die gesamte Führungsstuktur und die gesamte Partei berührt.“
Ansonsten ging Geißler jedoch ausschließlich auf das ein, was für ihn die geistigen Grundlagen der Union sind: Christlich-soziales Menschenbild und daraus folgend Menschenrechte, Toleranz gegenüber Ausländern, eine Sozialpolitik, die die Schwachen schützt. Wohl weniger die Rede als den Mann feierten die Delegierten mit stehenden Ovationen.
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