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Jetzt hat Ungarn bei der BRD Kredit

■ 500-Millionen von bundesdeutschen Banken/ Rund 300 DDR-Flüchtlinge geben auf und verlassen die Prager Botschaft

Bonn/Budapest/Wien (dpa/ap/afp) - Was lange währt, wird nachdem sich die ungarische Regierung so kulant gegenüber mehr als 10.000 DDR-Flüchtlingen gezeigt hat - endlich gut. Ein Kredit über insgesamt 500 Millionen Mark zur Außenwirtschaftsfinanzierung Ungarns ist nach fast einjährigen Gesprächen jetzt unterschriftsreif. Laut der Bayerischen Landesbank, München, ist geplant, daß je die Hälfte des Kredits von der Bayerischen Landesbank als Konsortialführer in Bayern sowie der Landesbank Stuttgart als Konsortialführer in Baden-Württemberg stammen. Es ist beabsichtigt, daß die Hälfte des Gesamtkredits, der zur Export- und Importförderung Ungarns dienen soll, durch Staatsbürgschaften gesichert wird. Hierzu sind noch die Zustimmungen der Länderregierungen erforderlich.

Gestern nachmittag verließen etwa 300 der 450 DDR -Flüchtlinge, die seit Wochen in der deutschen Botschaft in Prag ausharren, das Gebäude. Dies wurde in Bonn und Prag bekannt. Nach einem Gespräch mit dem Leiter der politischen Abteilung im Auswärtigen Amt, Kastrup, entschieden sich die Botschaftsbesetzer aufzugeben. An dem Gespräch nahm auch der DDR-Rechtsanwalt Vogel, teil.

Inzwischen gehen die innerdeutschen Verbalinjurien um die Flüchtlinge weiter. Nachdem die DDR-Nachrichtenagentur 'adn‘ vorgestern von „stabsmäßig organisierter“ Provokation, „eiskaltem Geschäft“ und „illegaler Nacht- und Nebelaktion“ schimpfte, konterte heute Regierungssprecher Klein: Die DDR reagiere mit „Steinzeitverbalismus“ Fortsetzung auf Seite 2

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auf die Massenausreise ihrer Bürger über Ungarn. Die Führung der SED scheine durch Honeckers Krankheit „total paralysiert“.

Auch der ungarische Außenminister Gyula Horn reagierte scharf auf die Ostberliner Kritik. Als „vollkommen unannehmbar“ bezeichnete er Äußerungen von 'adn‘. Den 'adn' -Meldungen bescheinigte er ein „ziemlich niedriges Niveau“. Die Behauptungen von 'adn‘, Budapest

habe „Silberlinge“ und Prämien für jeden Ostdeutschen erhalten, der Ungarn verläßt, sei nicht nur eine grobe Beleidigung der ungarischen Regierung, sondern des gesamten ungarischen Volkes.

Alle ungarischen Zeitungen haben die Entscheidung der ungarischen Regierung in ihren Kommentaren begrüßt, die DDR -Flüchtlinge ausreisen zu lassen. Die sowjetische Nachrichtenagentur 'Tass‘ kritisierte die „tendenziöse Kampagne bestimmter Medien und politischer Kreise“ in der Bundesrepublik, für die die „illegale Ausreise“ von

DDR-Bürgern nur als Vorwand diene. Die rumänischen Medien verschwiegen das Thema wie bereits am Vortag. Die bulgarischen und tschechoslowakischen Medien veröffentlichten im wesentlichen Auszüge der amtlichen DDR -Nachrichtenagentur 'adn‘ und der sowjetischen Agentur 'Tass‘, in denen die ungarische Entscheidung und die Haltung der Bundesrepublik kritisiert werden.

Auch nach der Ausreise von am Dienstag schon über 10.000 DDR-Bürgern wollen die Ungarn das Schlupfloch in den Westen offen hal

ten: Die ungarische Regierung sieht nach den Worten ihres Innenministers Istvan Horvath keine Veranlassung, die Grenzen des Landes für Bürger der DDR zu sperren. Auch die DDR-Behörden haben die geltenden Bestimmungen für Ungarnreisen bisher nicht geändert. Und die Ausreisewelle von DDR-Flüchtlingen ist noch längst nicht versiegt. Unterdessen begann am Dienstag in Prag die offenbar entscheidende Phase der Verhandlungen um das weitere Schicksal der rund 400 DDR-Flüchtlinge in der Botschaft der BRD.

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