: Borgfelder Wümmewiesen - für Güllekutscher tabu
■ Drei Landwirte wollten Bremens größtes Naturschutzgebiet kippen / Oberverwaltungsgericht lehnte Normenkontrollklage ab
In Bremen gibt es ein Feuchtgebiet, dem Gutachter internationale Bedeutung zumessen: die Borgfelder Wümmewiesen. Der
Kieler Wissenschaftler Heydemann, heute Umweltminister in Schleswig-Holstein, beispielsweise stellte 1983 fest, daß die
Wümmeniederung dort nicht nur für einige vom Aussterben bedrohte Pflanzenarten, sondern auch für den Bestand gefährdeter Säugetier-, Amphibien- und Libellenarten von Bedeutung ist. „Besonders charakteristisch für diese Landschaftsform sind die regelmäßig auftretenden winterlichen Überschwemmungen, die die Ausprägung typischer Feuchtwiesen-Ökosysteme bedingen und Rast- und Überwinterungsmöglichkeiten für Zugvögel bieten“, heißt es in der Verordnung, mit der das Gebiet am 2.4.1987 zum Naturschutzgebiet „Borgfelder Wümmewiesen“ erklärt wurde.
Gegen mehr Naturschutz in Borgfeld strengten drei betroffene Landwirte ein Normenkontrollverfahren an. Sie fühlten sich durch die Verordnung an einer „ordnungsgemäßen landwirtschaftlichen Bodennutzung übermäßig beschränkt“ und außerdem nicht ausreichend entschädigt.
Die Beschränkung führe zu erheblichen Ertragseinbußen und legte den Bauern somit ein Sonderopfer zu Lasten der Allgemeinheit auf.
Tatsächlich ist der landwirtschaftliche Betrieb in den Wümmewiesen erheblichen Beschränkungen unterworfen. So ist es verboten, auf den Feuchtwiesen „Gülle, Jauche, Klärschlamm oder Abwasser aufzubringen“. Die Anzahl der Kühe, die auf dem Grünland weiden dürfen, ist amtlich auf zwei bis höchstens neun beschränkt. In einigen Monaten ist das Mähen der Weiden ganz verboten.
In ihrer Klageschrift argumentierten die drei Landwirte gemäß der Parole: „Wir Bauern sind die besten Naturschützer.“ Ohne eine rentabele landwirtschafliche Bewirtschaftung könne der Schutzzweck der Verordnung nicht erreicht werden, denn gerade die landwirtschaftliche Nutzung habe den besonderen, die
Schutzwürdigkeit des Gebietes erst begründenden Charakter herbeigeführt. Die Folgerung der Landwirte gegen alle wissenschaftlichen Erkenntnisse: Gülle und Jauche ist gut für den Boden.
„Rindergülle bewirkt einen besonders reichlichen Kaliumeintrag in die Böden... Daneben gelangen auf dem Weg über die Gülle auch zahlreiche mineralische Tierfutterzusätze (Schwermetalle) in die Böden, die entsprechend angereichert werden,“ widerspricht der 1. Senat des OVG in seinem Beschluß vom 29. August den Landwirten. Klartext: Durch Gülle kommt es zu einer Verarmung von Flora und Fauna. Und auch die anderen in der Naturschutzverordnung formulierten Verbote bekommen sämtlichst den verwaltungsrichterlichen Segen. Und so nebenbei lassen die Richter anklingen, daß sie aus Gründen des Naturschutzes sogar noch schärfere Auflagen für möglich gehalten hätten.
Denn die Verordnung gehe beträchtlich über die Empfehlungen der Umweltgutachten hinaus und „nimmt die durch die Beweidung verursachten Verluste an Jungvögeln im Interesse der Landwirtschaft in Kauf.“
Auch mit ihrer Klage über mangelnde Entschädigung stoßen die Bauern beim OVG auf taube Ohren. Denn die betroffenen Landwirte erhalten je nach Lage ihres Grundstückes und den errechneten Ertragsverlusten bis zu 800 Mark Subvention pro Hektar aus Landeshaushalt und EG-Töpfen. Und in der Kernzone des Gebietes können sie ihre Flächen zu guten Preisen an den World Wildlife Fond verkaufen. Insgesamt, so haben die Richter errechnet, verdienen die Landwirte genauso viel, wie vor der Nutzungseinschränkung, mit dem feinen Unterschied, daß sie dafür nicht mehr soviel arbeiten müssen.
hbk
AZ.: OVG 1 N 2/88
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