: Hoffen auf die Swapo-Regierung
Noch vor wenigen Wochen drängten sich Hunderte vor den Toren des Döbra-Lagers zehn Kilometer nördlich von Windhuk, der Hauptstadt Namibias. Sie suchten nach Angehörigen, nach bekannten Gesichtern unter den Tausenden aus dem Exil zurückkehrenden Namibiern, die vom UNO Hochkommissariat für Flüchtlinge (UNHCR) in dem Lagern unterbracht wurden.
Doch inzwischen ist es in Döbra ruhig geworden. Von den fünf UNHCR-Lagern ist Döbra das einzige, das noch offen ist. Von dem Strom der 40.000 ehemaligen Exil-Namibier, die seit Mitte Juni in ihr Heimatland zurückgekehrt sind, ist nach drei Monaten nur noch ein kleiner Bach übrig geblieben.
Nach Angaben des UNHCR halten sich in Döbra nur noch 2.000 Menschen auf. Etwa 300 Behinderte und Waisenkinder und etwa 1.200 andere Rückkehrer werden von kirchlichen Organisationen betreut. Die restlichen Rückkehrer sind auf die eine oder andere Art von der Bevölkerung aufgenommen worden.
Wie erwartet gehören zu den wenigen Dutzend Leuten, die jetzt noch in Namibia ankommen, besonders wichtige Führer der südwestafrikanischen Volksorganisation Swapo. Am Montag kamen Generalsekretär Andimba Toivo ya Toivo und Swapo -Vorsitzender David Merero. Gestern nun begrüßten Tausende von Anhängern den Swapo-Präsidenten Sam Nujoma am Flughafen von Windhuk.
Die Swapo-Führer können erwarten, ihrem Status in der Organisation entsprechend in luxuriösen Häusern in Windhuk untergebracht zu werden. Über ihre Zukunft brauchen sie sich kaum Sorgen zu machen. Das gilt nicht für das Fußvolk. Die alarmierenden Befürchtungen, daß Tausende von unbeschäftigten Rückkehrern zu einem dramatischen Anstieg der Kriminalität in Namibia führen würden, haben sich jedoch nicht bestätigt. Doch hohe Arbeitslosigkeit und ein akuter Mangel an Wohnungen machen die Zukunft unsicher.
Dennoch strahlt die über 60jährige Albertina Itenge, die in Oshakati im Norden Namibias untergekommen ist, vor Zufriedenheit. „Ich bin so glücklich, wieder zu Hause zu sein“, sagt sie. „Meine Töchter sind wieder bei mir und wir können alle zusammenleben.“ Fünf Jahre lang lebte Frau Itenge in Sambia, getrennt von den Töchtern, die in Swapo -Lagern Angola waren.
Mitte Juni war sie mit einem der ersten UNHCR-Flüge aus Sambia nach Namibia gekommen. Damals machte sie sich noch große Sorgen. „Ich hatte gehört, daß mein Haus und meine Felder von anderen übernommen worden sind“, sagte sie. „Ich wußte nicht, wo ich wohnen werde.“
Ihre Befürchtungen haben sich bestätigt. In ihren Heimatort kann sie nicht zurückkehren. Auch Verwandte können sie mit ihrer großen Familie nicht aufnehmen. „Das wäre eine Zumutung“, sagt sie. „Meine Verwandten sind auch so schon arm genug.“ Ihrer Nichte, die ebenfalls in Oshakati wohnt, geht es allerdings nicht schlecht. Sie betreibt eine private Kneipe und kann ihren Kunden Fernsehen und Videofilme anbieten.
Im Augenblick will Frau Itenge sich nicht beklagen. „Wir essen eigentlich ganz gut“, sagt sie, während ihr Mann zustimmend nickt. „Aber wir haben kein Geld, um Seife oder ähnliches zu kaufen.“ Die Rückkehrer werden bis Mitte nächsten Jahres von der UNO mit Lebensmitteln versorgt. Frau Itenge wohnt zur Zeit zusammen mit anderen Rückkehrern in der katholischen Missionsstation Okatana, etwa zehn Kilometer nördlich von Oshakati.
Die Betreuung der Rückkehrer in den nächsten Monaten und Jahren wird von einer Sonderabteilung des namibischen Kirchenrates koordiniert. Verschiedene UNO-Organisationen werden sich zudem um gesundheitliche Versorgung, Schulausbildung und Beschäftigungsprojekte für die Rückkehrer bemühen.
Frau Itenge hat in Sambia eine Ausbildung als Grundschullehrerin gemacht und hofft, bald irgendwo in einer Schule arbeiten zu können. Ihre größten Hoffnungen setzt sie allerdings auf einen Sieg der Swapo bei den Unabhängigkeitswahlen am 6. November. „Wenn wir eine Swapo -Regierung bekommen, und das ist sicher, werden alle einen Job und ein Haus haben“, sagt sie mit unerschütterlicher Überzeugung. „Schon kurz nach dem Sieg der Swapo wird es für alle Arbeit geben.“
Die Swapo-Führer wissen von dieser Erwartungshaltung, die in der namibischen Bevölkerung weitverbreitet ist. Aber sie befürchten nicht, daß unbefriedigte Erwartungen problematisch für ein unabhängiges Namibia sein könnten. „Wir erwarten, daß wir die Bedürfnisse der Namibier befriedigen können, indem wir Land zur Verfügung stellen“, sagt Ben Amathila, Swapo-Sekretär für Wirtschaft. „Wir werden denjenigen, die das Land kultivieren wollen, diese Möglichkeit geben. Bei dem ganzen Krieg ging es ja letztlich um das Land.“
Hans Brandt
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