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Hauen und Stechen bei den Berliner REPs

Die Schönhuber-Truppe kommt in Berlin aus den parteiinternen Streitigkeiten nicht heraus / Staatsanwaltschaft prüft, ob die REP-Funktionäre Polizeidossiers zum innerparteilichen Machtkampf nutzen / Eine Clique schickt der anderen die Polizei auf den Hals  ■  Aus Berlin Willi Münzenburg

„Wir wollen das Wunder von Berlin vervielfältigen“, versprach noch vor wenigen Monaten die Stellvertretende Bundesvorsitzende der „Republikaner“, Johanna Grund, landauf, landab im Europawahlkampf. Das „Berliner Wunder“ war der überrraschende Wahlerfolg, der den Rechtsextremen in Berlin 7,5 Prozent der Stimmen und elf Abgeordnetenhausmandate einbrachte. Aus dem Berliner „Wunder“ ist inzwischen jedoch ein „blaues“ geworden.

Hauptärgernis für Parteichef Schönhuber, aber vor allem auch für die Berliner REP-Basis, ist nicht nur der geschaßte, am 8.Juli neu gewählte und letzten Sonntag erneut entlassene Landesvorsitzende Andres. Die Schnauze voll hat die Parteibasis von der Mehrzahl ihrer elf REP-Abgeordneten. „Der Schönhuber kann uns doch jetzt nicht mit dem Gesindel im Rathaus allein lassen“, beschwerte sich jetzt ein „einfaches Parteimitglied“ aus dem Tiergarten. In der Tat: An der Basis der Partei rumort es heftig. In acht von zwölf Kreisverbänden (KV), so heißt es, herrsche Konsens, daß man sowohl Andres als auch dessen parteiinternen Kontrahenten Carsten Pagel satt hat. Erst am letzten Sonntag hatte in Hannover unter Schönhubers Leitung das Parteipräsidium getagt und den bisherigen Landesvorsitzenden Andres sowie zwei seiner Stellvertreter „mit sofortiger Wirkung von allen ihren Ämtern entbunden“. Jetzt steht zusätzlich der Verdacht im Raum, daß sich führende Rep-Funktionäre beim parteiinternen Machtkampf mit Polizeidossiers über ihre Widersacher versorgt haben, die dem Datenschutz unterliegen.

Ins Rollen gebracht hatte die ganze Affäre ein wenige Tage zuvor veröffentlichter „offener Brief“ an Schönhuber unterzeichnet von 38 Berliner Funktionsträgern der REPs, darunter acht der elf Abgeordneten. Andres benehme sich wie „ein Diktator“, handle ständig eigenmächtig und allemal gegen die Satzung der Partei. Rädelsführer dieser „Putschistenfraktion“ ist der 28jährige Jurastudent und Ex -CDU-Jugendfunktionnär Carsten Pagel. Zwei Tage vor der Präsidiumssitzung in Hannover landeten die acht Abgeordneten um Pagel einen präjudizierenden Schlag gegen den Ex -Polizisten Andres und seine Stellvertreter: Die Fraktion der „Republikaner“ beschloß, Andres, Straube, Gehring und Weidlich als Landesvorstand abzusetzen und Ordnungsmaßnamen mit dem Ziel des Parteiausschlusses in Gang zu bringen.

Kaum hatte Schönhuber das Schreiben der Pagel-Clique vor sich, kabelte er zurück: Kommt nicht in Frage! Einen Landesvorstand kann nur das Präsidium absetzen - und das tagte erst zwei Tage später in Hannover. Mit gewichtigen Akten unter dem Arm reisten neben Pagel der Fraktionsvorsitzende Degen, der Abgeordnete Miosga, Parteijustitiar Schneider-Haßloch zur Präsidiumssitzung an. Im Gefolge hatten sie noch die Staatsgewalt in Person des Staatsanwaltes und REP-Mitgliedes von Niewitecki. Was die Herren dort auf Schönhubers Tisch legten, war brisant - aber auch illegal. Sie hatten über Andres und seine drei Stellvertreter Kopien aus Gerichts- und Polizeiakten vor sich liegen, die nur aus Staatsbeständen stammen konnten und normalerweise dem Datenschutz unterliegen. „Da lagen ja Sachen über Ermittlungsverfahren auf dem Tisch, von denen die Betroffen selbst nie etwas gewußt hatten. Dem Parteifreund Oliver Straube ist sogar vorgehalten worden, daß er als 15jähriger mal einen Fahrradreifen geklaut hat“, beschwert sich der später geschaßte Berliner REP-Chef Andres. Schönhuber - ob der ewigen „Querschläge gegen die Reputation der Partei aus Berlin“ sauer -, entschied und gab der Pagel-Truppe freie Bahn: Andres, Gehring und Weidlich wurden von der Spitze der Partei abgelöst.

Die Berliner Rathausfraktion legte - kaum wieder in Berlin angekommen - nach: sie schloß Andres auch aus ihrer Fraktion aus. Bis Mittwoch 16 Uhr habe er seinen Schreibtisch zu räumen. Der geschaßte Andres konterte: „Gut, ich werde pünklich die Platte putzen, aber ick werde auch wieder Landesvorsitzender.“

Wegen der geheimen Akten in Hannover ermittelt jetzt die Staatsanwaltschaft. Die Andres-Fraktion hatte sie noch am Sonntag während der Präsidiumssitzung von der Polizei beschlagnahmen lassen. Andres beteuert, er habe bereits beim Bundespräsidium die Überprüfung seiner Entmachtung beantragt. „Wo kommen wir denn hin, wenn hier mit Geheimakten gegen saubere Parteifreunde vorgegangen wird.“ Bundesgeschäftsführerin Centa Hirsch bestätigte inzwischen, daß „wir solche Akten auf dem Tisch hatten, die haben wir aber anonym zugespielt bekommen“. Andres hat indessen einen klaren Verdacht, wer die Staatsdossiers seinen Widersachern zugespielt haben könnte: „Der Pagel und der Häussler kungeln doch dauernd mit der CDU. Aber ich werde dafür sorgen, daß wir nicht zur CD-REP werden.“

Eines ist deswegen jetzt schon klar: Auf dem für Mitte Oktober anberaumten Parteitag wird es nicht nur wieder vor den Türen rundgehen, sondern auch im Saal. „Pagel ist nicht der kommende Mann. Wir organisieren gerade quer durch alle Kreisverbände die Wahl der Delegierten für diesen Parteitag. Pagel wird nicht durchkommen“, heißt es im REP-Kreisverband Moabit. Das kann angehen: Aus dem Bezirk Tiergarten geht gerade eine Klage an das Schiedsgericht. Vorwurf: Pagel habe die Wahl im Ortsverband Nord manipuliert. An der REP-Basis macht derweilen ein Spottpapier über die Parteispitzen und Abgeordneten die Runde: „Tretet den Ärschen in den Hintern! Macht die doch fertig, kackt die zu! Die solln am Nordpol überwintern! Dann haben wir mal endlich Ruh‘!“

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