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„Duftnoten“ oder „Kulturimporte“ für das Dorf Bremen

■ CDU kritisiert Bremer Musikfest: Rathaus setzt „Duftnoten“ und Bremer Kulturpolitik hat kein „Gesamtkonzept“ / Haushaltsausschuß überrumpelt

Das „Gold aus dem Kreml“ hat Hundertausende nach Bremen gelockt und den Ruf der Hansestadt aufgebessert. Wenn zum „Bremer Musikfest“ an drei Wochenenden ab Ende September international renommierte MusikerInnen kommen und ihr Publikum aus einem großen Umkreis anlocken, dann will sich das „Oberzentrum“ wieder von der besten Seite zeigen. Die Bremer CDU hatte das „großartige Ereignis“ befürwortet, als im Kuratorium von Radio Bremen 1 Million Mark Rundfunk -Gelder dafür zur Verfügung gestellt wurden.

Inzwischen geht der kulturpolitische Sprecher der Bremer CDU, Bernd Schulte, aber leicht

auf Distanz. Vor drei Wochen nämlich wurde der Haushaltsausschuß der Bürgerschaft mit einer „Tischvorlage“ überrascht: 1 Million Mark Nachforderungen für das Musikfest, zahlbar aus „Bewirtschaftungmitteln“ des Schuletats (vgl. taz 2.9.). Die Haushalts-Leute konnten ihre Kultur-Experten nicht fragen, aber auf der Vorlage gibt es dafür diesen Zweck eine Rubrik „Zustimmung der Fachdeputation“. „JA“ war da angekreuzt, und der Abteilungsleiter Kultur, Dieter Opper, bekräftigte, auch die CDU habe zugestimmt.

Das war alles unwahr, die für Kultur zuständige Fachdeputa

tion wußte von nichts. Der Bil

dungssenator habe sich inzwischen entschuldigt, berichtete der CDU-Politiker, deswegen wolle er auf dem Punkt nicht mehr herumreiten.

Als vorgestern die Kultur-Deputation erstmals über das Thema diskutierte, wurde es grundsätzlich. „Das Rathaus verteilt kulturelle Duftnoten, das verantwortliche Ressort hat aber kein Gesamtkonzept für die Kulturförderung in Bremen“, faßte Schulte seine Kritik zusammen. Die Deputation hatte das Musik-Fest auch nicht beschlossen, der frühere Staatsrat Hans-Helmut Euler hatte die Idee über das Rundfunk -Kuratorium durchgesetzt. Von Haushaltsmitteln, erinnert sich

Schulte, war damals nicht die Rede. Auch daß 200.000 Mark aus dem Topf „Wirtschaftsförderung“ in die drei Musik -Wochenenden fließen, war ihm neu.

Duftnoten statt Breitenarbeit

Inzwischen haben auch viele aus der bremischen Musikerlandschaft, die bei dem Musikfest nicht beteiligt sind und für jede Förderung aus dem Kultur-Etat lange schreien müssen, ihren Protest angemeldet. Dies nimmt der CDU-Mann zum Ansatzpunkt für seine Kritik: Solange für „Breitenarbeit“ und die bremische kulturelle Infrastruktur so wenig Geld im Etat des Kultur-Ressorts da sei, seien die „Duftnoten“ des Rathauses nur ein „Produkt von Zufälligkeiten“.

In der Kultur-Deputation, so hat Schulte gemerkt, sei der zuständige Senator Horst-Werner Franke auch deutlich abgerückt von dem Musikfest und Formulierungen der Art benutzt, das Rathaus habe ihm das eingebrockt. „Ich glaube, daß das Rathaus hier größenwahnsinnig war“, erklärte Schulte. Es fehle

ein politisch Verantwortlicher für das Projekt des Musik -Festes. Die Frage, warum das Projekt 3,1 Millionen kosten soll anstatt der ursprünglich beschlossenen 1,5 Millionen, gab Kultursenator Franke in der Deputationssitzung an den künstlerischen Leiter Thomas Albert weiter. Und der berichtete, anfangs hätten viele Sponsoren sehr positiv auf die Idee reagiert, schließlich aber doch wenig Geld gegeben.

Auch die grüne Vertreterin in der Deputation, Helga Trüpel, gewann in der Deputationssitzung vorgestern von dem Senator diesen Eindruck, daß er „stinksauer“ sei und die Planung „an ihm vorbeigegangen“ ist.

Der Senator fühlte sich grob mißverstanden. Auf Nachfrage erklärte er gegenüber der taz, natürlich sei er der politisch Verantwortliche. In der Konkurrenz der Oberzentren brauche Bremen solche „singulären Ereignisse“: „Wir haben es sehr nötig, Kulturimporte von außen zu holen.“ Allerdings resigniere er manchmal, wenn er sehe, wie in dem „Dorf Bremen“ auf solche großen Kul

turereignisse reagiert wird.

Für den Bremer Kulturetat sieht Franke auch nicht die kritisierte negative Tendenz, sondern - im Gegenteil Erfolge. Vor einigen Monaten noch hatte er gedroht, wenn es zu den in der mittelfristigen Finanzplanung geplanten Kürzungen komme, „dann ist für mich der Ofen aus“. Inzwischen seien die Kürzungen erfolgreich abgewendet. Ob es allerdings zu einer Erhöhung des Kulturetats kommt, wie Franke es fordert und auch der Deutsche Städtetag (Präsident derzeit: Klaus Wedemeier) - ist noch offen.

Gegenüber den hellhörig gewordenen Schulen versichert der Senatsdirektor Reinhard Hoffmann, die Million solle nicht durch besondere „Sparaktionen“ erbracht werden. Am Ende des Jahres verfielen üblicherweise die Haushaltsmittel, die nicht abgerufen worden seien - in diesem Jahr möglicherweise 10 Millionen Mark im Bildungs-Etat. Hoffmann ist gleichzeitig Vorsitzender des Trägervereins für das Musikfest.

K.W.

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