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Umstrittene Gentech-Tagung abgeblasen

■ Prof. Walter zum Rassismus-Vorwurf des Frauen-Gen-Plenums: „Zu lange aus falscher Kollegialität geschwiegen“

Die geplante 21. Tagung der umstrittenen „Gesellschaft für Anthropologie und Humangenetik“ (19.-23.9.) wurde gestern überraschend abgeblasen. „Der Kongreß ist geplatzt“, bestätigte der Bremer Populationsgenetiker und Anthropologe Prof. H. Walter „nach einem Tag voller Diskussionen“ gestern gegenüber der taz. Walter ist der derzeitige Vorsitzende der Gesellschaft und

Ausrichter der Tagung.

Das Bremer Frauen-Gen-Plenum hatte schon im Vorfeld Widerstand und Proteste angekündigt und in ausführlichen Informationsblättern nachgewiesen, daß KZ-Ärzte und Nazi -Rassekundler in hohen Posten, zum Teil als 1. Vorsitzende, in der Gesellschaft tätig waren. Daß die 'Gesellschaft für Anthropologie und Humangenetik‘ in ihrer wis

senschaftlichen Tradition, ihrem Forschungsinteresse, in ihren personellen Verflechtungen und auch noch in aktuellen Publikationen zum Teil direkt rassistisch und sexistisch sei, hatte das Frauen-Gen-Plenum öffentlich an den Pranger gestellt und auch auf einer Informationsveranstaltung am letzten Freitag erklärt. Prof. Walter, dort zu Gast, hatte dem nichts entgegenzusetzen („Sie

rennen bei mir offene Türen ein“).

„Wir haben lange Jahre nicht widersprochen - man muß sagen: feige geschwiegen aus falscher Kollegialität - über das, was gesellschaftsintern vor sich geht“, erklärte Prof. Walter der taz, warum das Thema denn erst jetzt und so plötzlich debattiert werde, „jetzt müssen wir das tun, was wir schon viel früher hätten tun müssen: den eigenen Laden in Ordnung bringen und Roß und Reiter beim Namen nennen.“

Walter präsentiert sich als einer, der zwar zerknirscht ist über die Sünden der Vergangenheit, jetzt aber öffentlich gegen Rassismus im eigenen Laden antreten will. So habe er einen Kongreß zum Thema „Anthropologie, Rassismus und Sexismus“ im nächsten Jahr in Bremen geplant. Walter sieht sich nicht der Lage, aus dem geplanten Fachkongreß eine große öffentliche Kontroverse zu machen: „Die Dinge würden auf dem Kongreß völlig außer Kontrolle geraten.“ Ebensowenig will er mit seinem Namen für eine Veranstaltung stehen, die derart auf dem Präsentierteller kritisiert wurde und zu der er persönlich nicht mehr un

eingeschränkt stehen kann: „Ich kann mich einfach nicht mehr für eine Sache engagieren, die ich seit langem kritisiere.“

Was die KollegInnen aus der Humangenetik zu dem plötzlichen Schwenk sagen, wußte Walter gestern noch nicht: „Die sollen sich mit ihren Sachen beschäftigen; die Nazi-Vergangenheit müßte auch noch in ganz anderen Bereichen, zum Beispiel der Justiz, der Medizin, kritisch und viel öffentlicher aufgearbeitet werden.“

Die Frauen vom Gen-Plenum gehen davon aus, daß ihre Öffentlichkeitsarbeit und der von ihnen angemeldete Protest („Wir bringen den Kongreß zum Tanzen“) zumindest ihren Teil beigetragen haben. Regine Geraeds: „Wir haben interne Differenzen öffentlich gemacht. In der Gesellschaft wird einiges in Bewegung kommen, das geht nicht ohne Brüche ab.“ Das kritische Gegenprogramm zur Tagung soll allerdings weitergehen, die Demonstration heute (17 Uhr ab Ziegenmarkt) wird ebenso stattfinden wie der Video-Filmabend von der Verfolgung der Sinti und Roma während der NS-Zeit (20 Uhr, Cafe Kairo, am Freitag).

Susanne Paa

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