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Schwarze Wirklichkeit schockiert die BGSler

Die bundesdeutschen Grenzschützer in Windhuk auf Sightseeing-Tour / Stadtbummel und politische Bildung / Vor ihrem UNO-Einsatz im Norden des Landes erfahren sie schon in der Hauptstadt Namibias die schwarze Wirklichkeit  ■  Aus Windhuk Andrea Seibel

Am Wochenende war es soweit: Gruppenweise trauten sich die „Deutschländer“, über die die namibische Presse ausführlich und oft wohlwollend berichtet, erstmals vor die Hoteltür. „Es ist europäisch hier, muß ich sagen, ich fühle mich nicht fremd. Es ist schön“, sagte der Bundesgrenzschützer. Er ist einer der sieben, die sich mit Pressebegleitung zu einem Spaziergang durch Windhuk aufmachten; in Zivil und mit einsatzbereitem Fotoapparat. Die Tour begann entlang der Hauptstraße Windhuks, der Kaiserstraße, mit einem Schaufensterbummel. Ganz normale Touristen und nicht in ihren neuen khakifarbenen UNTAG-Uniformen und hellblauen Mützen - sehr zum Leidwesen der Pressefotografen. Vorbei an Waffengeschäften - „Guckt mal, genau das Richtige für uns“ bis hin zu Haushaltswarenläden - „Vielleicht sollten wir so einen großen Kessel mitnehmen. Wer weiß, was uns da oben im Norden erwartet.“

Fast alle BGSler wußten schon in der BRD, daß sie in den Norden Namibias kommen würden, Ovamboland, Swapoland. Auf sechs Stationen verteilt, entlang der tausend Kilometer langen Grenze zu Angola werden sie ab Donnerstag wahrscheinlich in aufgestellten Containern wohnen. Heiß wird es sein und einsam. „Hoffentlich ist da immer was zu tun. Das wird tödlich, wenn man da den ganzen Tag nur rumsitzt.“

Landeskunde

am Vormittag

Nach dem Briefing im Deutschen Institut für Internationale Entwicklungshilfe am Morgen fühlen sie sich gut auf den Einsatz vorbereitet. „Einführung in die politischen Verhältnisse, geschichtlicher Hintergrund, bis hin zu Ethnologie, Anthropologie und so was. Damit man einen Überblick hat und dann auch später wirklich wertneutral eingesetzt werden kann“, sagt Dietmar Wolf. „Man muß sich umstellen, wir sind ja nur hier zum Beobachten.“

Wolf war mit seiner Abteilung Nord sechs „eigentlich überall in der BRD eingesetzt. Wackersdorf, Starbahn West, Hafenstraße, Brokdorf, Ohu, „wo eben in den letzten zehn, fünfzehn Jahren was los war“. Die kommenden sechs Monate wird er der „Südwestafrikanischen Polizei“ (Swapo) bei ihren Aktionen hinterherfahren, Beschwerden der Bevölkerung entgegennehmen und darüber Bericht für das UNTAG -Hauptquartier verfassen. Hätte sein Einsatz hier nicht geklappt, hätte er sich bei der amerikanischen Polizei gemeldet, Los Angeles, nächtliche Razzien... Die BGSler knipsen die Blumen und Eidechsen im Garten des südafrikanischen Generaladministrators Louis Pienaars. Als sie das „Südwesthaus“, den eigentlichen Sitz der Südafrikaner in Windhuk, fotografieren wollen, blökt sie ein Wachposten an: verboten. Ein anderer kommt drohend über die Straße. „Das ist ja richtig totalitär“, so der Kommentar eines der jüngeren Kollegen von Wolf.

In Windhuk liegt alles nahe beieinander. So sehen wir von weitem schon das Hauptquartier der größten Konkurrenz für die Swapo, das Büro der „Demokratischen-Turnhallen-Allianz“ (DTA). Wenige hundert Meter weiter das Büro der Befreiungsorganisation. „Es ist schon komisch, soviel von Swapo gehört zu haben und jetzt davorzustehen. Ja, jetzt stehen wir geradezu mittendrin.“ Ein anderer sinniert laut, es sei „taktisch unklug“, daß die Kontrahenten so nahe beieinander lägen. Für den nächsten ist das vielleicht sogar die Chance, „daß sie nicht nur geographisch, sondern auch politisch zusammenarbeiten, um Unruhen zu vermeiden“.

„Wir sind wertneutral“

Das magische Wort in der Gruppe ist ohne Zweifel „wertneutral“. „Das ist das entscheidende - wertneutral. Wir sollen ja nur beobachten“, sagt Dietmar Wolf. Sie seien sehr gut informiert, und auch hier würde bis Mitte nächster Woche das Briefing noch weitergehen, so Wolf, als wir uns ins Central Cafe aufmachen, um die durstigen Kehlen der noch Hitzeempfindlichen zu löschen - zur frühen Stunde mit Sodawasser und nicht mit Bier. Aber eigentlich seien fast zu viele Informationen auf sie niedergeprasselt. Praktische Erfahrungen würden sie dann vor Ort sammeln. Als sie dazu die Möglichkeit erhalten, wird es allerdings schwierig. Zuerst sind die BGSler bereit, mit ins schwarze Township Katatura zu fahren. 100.000 EinwohnerInnen hat Windhuk insgesamt. 60.000 davon leben in Katatura. „Sicherlich muß man sich das anschauen, das ist ja auch ein Teil davon.“ Doch als sie die schäbigen Hütten, die stinkenden Rinnsale über den staubigen Straßen und die vielen Menschen sehen, sind sie still, schockiert, verunsichert. Die - schwarze Wirklichkeit holt sie schnell ein. Im Norden wird es nicht anders sein.

Doch da ist auch noch der Pressemann Geeritzen, der eigens mit den 50 BGSlern mitgeschickt wurde, um die Männer aus den Klauen der Journaille zu befreien. Mißtrauisch war er uns gefolgt. Jetzt fährt er die sieben schnell zurück - ins schöne, weiße Windhuk, ins sichere „Safan„-Hotel.

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