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"Freiheit statt Sozialismus"

■ Betr.: "Die Sonne scheint", taz vom 12/13.9.89

betr.: „Die Sonne scheint“, Leserbrief von Lothar Bunn,

taz vom 12/13.9.89

(...) Lothar Bunn hat in seinen ausgezeichneten Bemerkungen über den Zustand der BRD und über das Diskussionsniveau zum Problem der DDR-Flüchtlinge meines Erachtens einen Volltreffer gelandet. Auch sein Kommentar zum Verhalten deutscher (speziell sogenannter alternativer) TouristInnen trifft den Nagel auf den Kopf, und letzteres hat in der Tat sehr viel zu tun mit der Erbärmlichkeit der linken „Bewegungen“ hier im gelobten Land (zur wütenden Koalitionsläufigkeit der Grünen kein Wort).

Wo sind denn die Stimmen all jener geblieben, die sich einmal getrauten, den Kapitalismus und sein Plünderungsprinzip beim Namen zu nennen, und die sich heute in ihrem Wohlstandstaumel kritisch-sinnsuchend arrangiert haben? Und wenn in diesen Zeiten von aufziehendem Nationalismus und (Neo-)Faschismus selbst sich als links verstehende Medien den armen Hungerleidern und Folteropfern aus der DDR permanent und chronisch Rechtfertigungsformeln liefern (zusammenfassend: „Freiheit statt Sozialismus“), damit diese sich ihrer Motive der Flucht doch endlich klarwerden mögen - wo verdammt bleibt der Verweis auf den tagtäglichen Terror, den pausenlosen Mord an Entrechteten und Geschändeten, die im Namen des Kapitalismus und der Freiheit ihr Leben lassen müssen? Nirgends ein ernsthafter Versuch, die Fluchtgründe zu ertasten, Hauptsache sie kommen zu „uns“ - und ich armer Irrläufer verstehe die Welt nicht mehr.

Lothar Bunn hat schon recht, daß man ein schlechtes Gewissen bereits haben sollte, aber nicht etwa wegen der DDR, sondern weil das Wirkungsprinzip unserer Gesellschaft noch nicht zerschlagen ist.

Horst, Mannheim

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