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Birmas Militärs bauen auf fremde Hilfe

■ Mit bundesdeutscher Ausstattung bekämpft das Ranguner Militärregime weiterhin seine Opposition

Für die birmanische Oppositionsbewegung hat sich ein Jahr nach der Niederschlagung der Demokratiebewegung und dem Putsch von Saw Maung vom 18. September 1988 nicht viel geändert. Nach Schätzungen sollen in den vergangenen Wochen bis zu 2.000 Menschen aus politischen Gründen festgenommen worden sein, während die Regierung die internationalen Medien mit Amnestieankündigungen versorgt. Anläßlich eines Birma-Seminars am Wochenende im Berliner Reichstag wurde die fortgesetzte Kooperation der bundeseigenen Firma Fritz Werner mit dem Ranguner Regime bei gleichzeitig eingefrorener Entwicklungshilfe angeprangert. Die Fritz -Werner-Industrieanlagen GmbH in Geisenheim steht weiter im Verdacht, das Militär-Regime in Rangun durch Rüstungshilfe zu unterstützen. Als „eigentliche Deutsche Botschaft in Birma“ wird die Firma auch bezeichnet.

Birma heißt heute Nyanmar und seine Hauptstadt Yangon. Die Hoffnungen derjenigen, die im vergangenen Sommer die Straßen des damaligen Ranguns füllten, konzentrieren sich noch immer auf Aung San Suu Kyi, die Tochter des birmanischen Volkshelden Aung San, der kurz vor der Unabhängigkeit von Meuchelmördern erschossen wurde. Doch Suu Kyi, Generalsekretärin der Nationalen Liga für Demokratie (NDL), steht seit dem 18.Juli unter Hausarrest. Auch der 64jährige Vorsitzende der NDL darf sein Haus nicht mehr verlassen. Die NDL ist eine unter 200 Oppositionsparteien, die im Laufe der letzten zwölf Monate wie Pilze aus dem Boden geschossen sind, nicht zuletzt weil jede Versammlung von mehr als fünf Personen untersagt ist. Ob die für 1990 angekündigten Wahlen stattfinden können, bleibt ebenso ungewiß wie das Schicksal der politischen Gefangenen. Militärgerichte sind inzwischen befugt, Todesurteile im Schnellverfahren zu verhängen.

Das Militärregime in Birma bezieht indes trotz eingefrorener Entwicklungshilfe offenbar weiterhin Waffentechnologie von der Fritz-Werner-Industrieanlagen GmbH in Geisenheim bei Wiesbaden (Zweigniederlassung in Berlin). Schon 1987 war die bundeseigene Maschinenfabrik durch ihr skandalöses Engagement im Iran und in Irak ins Kreuzfeuer der Kritik geraten, weil sie es fertigbrachte, an beide Kontrahenten im Golfkrieg unter anderem Waffen- und Munitionsfabriken zu liefern.

Die Unternehmenstätigkeit in Birma freilich hat noch ältere Tradition. Schon 1959 ließ sich die Firma in dem Land nieder, drei Jahre bevor Diktator Ne Win sich an die Macht putschte. Auch daran sollen die Geisenheimer nicht ganz unbeteiligt gewesen sein, wie Angehörige der bundesdeutschen Botschaft in Rangun noch letztes Jahr unterderhand nachfragenden Journalisten versicherten. Fritz Werner ist die eigentliche deutsche Botschaft in Birma, hieß es.

Dieses „traditionell gute Verhältnis zwischen Birma und der Bundesrepublik“ drohte erst so richtig peinlich zu werden, als bei der Niederschlagung des Volksaufstandes im vergangenen Sommer weit über tausend Oppositionelle, meist Studenten, unter den Kugeln der in Birma gefertigten G3 -Gewehre starben. Die Bundesregierung sah sich daraufhin genötigt, das „traditionell gute Verhältnis“ fürs erste zu beenden und die „Entwicklungshilfe“ genannte Unterstützung des Ranguner Regimes auszusetzen.

Die Fritz-Werner-Niederlassung unterdessen, zu 40 Prozent an dem ersten und lange Zeit einzigen Joint-Venture in dem nahezu total isolierten Land beteiligt, setzte diskret und ohne großen Aufhebens seine Tätigkeit fort. Die Waffen- und Munitionsfabriken seien ja schon in den Sechzigern errichtet worden, und die heutige Zusammenarbeit beschränke sich doch „nur“ auf technische Hilfe, hieß es.

Befürchtungen, Fritz Werner sei weiter eine wichtige Stütze des birmanischen Regimes, erhielten am Wochenende auf einer Tagung im Berliner Reichstagsgebäude neue Nahrung. Vertreter der Demokratischen Allianz Birmas (DAB) versicherten, das Unternehmen trage weiterhin maßgeblich zur Aufrechterhaltung der Waffenproduktion in Rangun bei. Ohne die technische Hilfe von Fritz Werner und ohne Ersatzteil- und andere Materiallieferungen aus der BRD wäre die Arbeit des Ranguner Werks nicht aufrechtzuerhalten. Eine Forderung der Tagungsteilnehmer an die Bundesregierung lautete, sie solle das Engagement ihrer eigenen Unternehmung in Birma nochmals überprüfen und gegebenenfalls stoppen.

Eine Anfrage im Deutschen Bundestag am 15. Februar ergab, daß die letzte Genehmigung für Birma-Projekte im Januar 1989 ausgelaufen ist. Auf die Zusatzfrage des Grünen-Abgeordneten Sellin, ob die angelieferten Werkzeugmaschinen auch zur Produktion von Waffen dienen könnten, reichte Staatssekretär Riedel in einem Brief folgende Information nach: „Es handelte sich vielmehr um zwei kleinere Anlagen zur Herstellung von Primärsprengstoff für zivile Zwecke - zum Beispiel für den Straßen- und Bergbau - und von Sprengstoff für die Füllung von Artilleriegranaten.“

Das Seminar im Reichstagsgebäude brachte Vertreter verschiedener Oppositionsgruppen aus Birma zusammen. Exil -Birmanen aus Großbritannien und der Bundesrepublik sowie angereiste Sprecher der DAB. Unter diesem Dachverband haben sich die elf Gruppen der bewaffneten „National Democratic Front“ (NDF) mit Studenten und religiösen Organisationen Zentral-Birmas zusammengeschlossen. Es ist der erste Versuch der Minoritäten-Guerilla, die teilweise schon seit 40 Jahren gegen das zentralistische und ethnozentrische Regime in Rangun kämpft, mit der zentral-birmanischen Opposition zu kooperieren.

Die Minoritäten sind es auch, die lange Zeit am meisten unter dem Regime zu leiden hatten, das sich mit Waffengewalt Zugang zu den Bodenschätzen auf ihrem Gebiet sichern will. Massaker unter der Zivilbevölkerung, Plünderungen und Brandschatzungen gehören dabei nach wie vor ebenso zum Repertoire der Regierungstruppen wie die Verschleppung von Zivilisten. Es sind zumeist Angehörige der Minoritäten, die als Träger in den verminten, umkämpften Gebieten vorausgehen müssen.

Doch auch unter den verschiedenen ethnischen Gruppierungen wurden in der Vergangenheit militärische Konflikte ausgetragen. Kommunikationsprobleme in den Weiten des Landes und Beanspruchung desselben Territoriums trugen ebenso dazu bei wie ideologische Differenzen. Bei einem Teil der Gruppen bestand ein eher gutes Verhältnis zur kommunistischen Partei Birmas (BCP), die ebenfalls eine schlagkräftige Guerilla und enge Verbindungen zur KP Chinas unterhält. Andere Gruppen traten der Antikommunistischen Weltliga bei, in der Hoffnung, sich damit ein internationales Forum verschaffen zu können.

Die Taktik der Thais

Erst in den letzten Monaten sahen sich wieder mehr Studenten gezwungen, ihre Untergrundtätigkeit in Rangun aufzugeben und zu den Minoritäten zu fliehen. In deren Grenzlagern zu Thailand leben sie mehr schlecht als recht, es fehlt an Nahrungsmitteln, Kleidung und in der Malariaverseuchten Region an lebenswichtiger Medizin. Internationale Hilfe für sie zu organisieren, wird durch das Verhalten Thailands zusätzlich erschwert. Die Thailänder erweisen sich einmal mehr als gewiefte Taktiker. An ihrer Ostgrenze haben sie erreicht, daß nunmehr schon seit zehn Jahren internationale Organisationen kambodschanische Flüchtlinge in Lagern unterstützen, die zum Teil eher Rückzugs- und Nachschublagern der antivietnamesischen Guerilla gleichen, auch für Pol Pots Rote Khmer.

An der Westgrenze zu Birma fährt Thailand eine andere Taktik. Schon lange leben hier Flüchtlingsgruppen der birmanischen Minioritäten, die vor den Ranguner Regierungstruppen aus dem Landesinnern fliehen mußten. Die Zahl der Flüchtlinge auf thailändischem Gebiet reicht an die 30.000. Die Bedingungen, unter denen sie leben, sind allerdings weit schlechter als die der kambodschanischen Flüchtlinge im Osten Thailands.

Nur ein Teil der vor allem zu den Karen, Karenni, Mon und Sghan gehörenden Flüchtlinge aus Birma darf in streng reglementierten Lagern Hilfe von unter anderem Kirchen empfangen. Andere kauern sich in Grüppchen zwischen die Dörfer der Thai, ohne Erlaubnis zu arbeiten, anzupflanzen oder Holz für den Bau von Hütten zu fällen. Weder UN- noch andere Flüchtlingsorganisationen erhalten jedoch von der thailändischen Regierung die notwendige Erlaubnis, diesen Menschen zu helfen. Ähnlich ergeht es nun den birmanischen Studenten, die indes selbst nicht an der Annahme des Flüchtlingsstatus interessiert sind, der sie zur politischen Passivität verdammt.

Andererseits hat Thailand durchaus Interesse an guten Beziehungen zum birmanischen Militärregime. Das ökonomisch am Boden liegende Birma verdient sich ein paar Dollar durch den Verkauf seiner Fischereirechte und von Teakholz an Thailand. Nicht mehr lange, denn Rangun läßt kräftig abholzen, schert sich aber nicht um Wiederaufforstung.

Beim Transport der teuren Edelhölzer nach Thailand sind nun wieder Minoritäten im Wege, deren Guerilla versucht, diese Lebensader des Ranguner Regimes abzuschneiden. Erst kürzlich hat Thailand den Regierungstruppen das Betreten thailändischen Territoriums gestattet, damit sie die Guerilla umzingeln und einen Grenzabschnitt für den Holzhandel freikämpfen können.

An einer vollständigen Vernichtung der birmanischen Minoritäten-Guerilla, die einen Puffer zwischen thailändischen und birmanischen Truppen bilden, kann jedoch auch Thailand nicht interessiert sein.

Die Tagungsteilnehmer in Berlin baten die Bundesregierung, sich in Bangkok für die birmanischen Studenten einzusetzen und materielle Hilfe zu leisten. Ebenso soll sich die BRD für einen Stopp der intensiven Abholzung und Vernichtung des birmanischen Regenwaldes stark machen.

Thomas Kluth

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