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Amnesty: Woche gegen Todesstrafe

Über 1.600 dokumentierte Exekutionen seit Anfang 89  ■  Von Andreas Zumach

Genf (taz) - Um möglichst viele Staaten zur Abkehr von der Todesstrafe zu bewegen, startet amnesty international (ai) heute weltweit eine „Aktionswoche gegen Hinrichtungen“. Für die ersten acht Monate des Jahres 1989 hat die Menschenrechtsorganisation die Hinrichtungen von 1.600 Menschen dokumentiert, sie geht jedoch von einer weit höheren Zahl nicht bekanntgewordener Fälle aus. Der ai -Appell richtet sich insbesondere an die sieben Staaten, in denen die Todesstrafe noch „systematisch praktiziert wird“: China, Iran, Irak, Nigeria, Südafrika, USA und UdSSR.

Nach Angaben der Menschenrechtsorganisation haben bis heute 36 Staaten diese Strafe für alle Verbrechen abgeschafft zuletzt Kambodscha am 30. April durch eine Verfassungsänderung. Bestrebungen zur Einschränkung oder vollständigen Abschaffung gibt es derzeit unter anderem in Italien, Irland und der Schweiz. In 18 Ländern gilt die Todesstrafe nur noch bei „außergewöhnlichen Vergehen“, zum Beispiel in Kriegszeiten. In weiteren 27 Staaten, deren Verfassung und Strafrecht die Todesstrafe noch vorsehen, wird sie nicht mehr verhängt. In vielen der 99 Länder, in denen nach wie vor zum Tode verurteilt wird, finden keine Exekutionen mehr statt.

Von den 3.399 Exekutionen, die ai zwischen 1985 und Mitte 1988 dokumentierte, fanden 2.219 (65 Prozent) in nur vier Ländern statt. Fortsetzung auf Seite 2

ai kennt die Namen von 1.700 Menschen, die im Iran seit August 1988 hingerichtet wurden, 1.200 davon seit Anfang 1989. Ihnen wurden

überwiegend politische oder Drogendelikte zur Last gelegt. Aus dem Irak erhielt ai Berichte über „Hunderte von Exekutionen“ in diesem Jahr. Genaue Zahlen sind schwer erhältlich, da die Regierung die Hinrichtungen geheimzuhalten versucht. Dasselbe gilt auch für die Exekution von „Konterrevolutionären“ in China. ai hat 242 Hinrichtungen seit Anfang 89 dokumentiert (137 davon seit dem Pekinger Massaker Anfang Juni), geht jedoch von „bedeutend mehr“ Hinrichtungen aus. Das Leben vieler der seit Juni Verhafteten sei akut gefährdet.

In Südafrika sind seit Jahresbeginn 37 und in den USA 13 Menschen hingerichtet worden. Einer von ihnen ist der geistig behinderte Horace Dunkins, der im Juli im US-Staat

Alabama erst nach qualvollen 19 Minuten auf einem defekten elektrischen Stuhl starb. Kurz zuvor hatte das oberste US -Bundesgericht die Exekution jugendlicher und geistig behinderter Delinquenten für verfassungsmäßig erklärt. Aus der UdSSR wurden 1989 bislang eine vollzogene und fünf bevorstehende Hinrichtungen bekannt. Die Bemühungen sowjetischer Strafrechtsreformer, die Todesstrafe ganz abzuschaffen, haben bislang entgegen früheren ai-Erwartungen nicht zu einem Hinrichtungsstopp geführt. Für Nigeria hat ai zwar keine detaillierten Zahlen, geht jedoch aufgrund vorliegender Berichte von einem deutlichen Anstieg der Todesurteile und Exekutionen seit Herbst 1988 aus.

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