: Künstlerliebe, Affenliebe, Mutterliebe
■ Drei New-York-Episoden von Martin Scorsese, Francis Ford Coppola und Woody Allen
Martin Scorseses Lebensstudien spielen in einer Stadt, die Scorsese eigentlich nicht ausstehen kann: im New York der Kunstszene, der bahnhofshallengroßen Lofts in SoHo, der Performances in U-Bahnschächten und Vernissagen auf der Fifth Avenue. Er (Nick Nolte) ist ein berühmter action painter, um fünfzig, strotzende Körperlichkeit, pastoser Auftrag, und hat ein Loft, so groß, daß er seine „Assistentin“ umsonst darin wohnen lassen kann. Sie (Rosanna Arquette) ist halb so alt wie er, hübsch und „malt auch“. „Ich wollte doch nur deinen Fuß küssen, nichts Persönliches“, sagt er einmal zu ihr. Er liebt sie. Sie will weg, raus aus seiner Umklammerung. Er ist verzweifelt, aber seine Verzweiflung dient ihm dazu, dreißig Bilder zu malen. Sie ist auch verzweifelt und malt nichts. Sie verläßt ihn. Er hat Vernissage. Da wird ihm ein Glas Wein gereicht, von einer jungen Frau. Sie ist hübsch, halb so alt und „malt auch“. Scorseses Inszenierung ist so „spontan“ wie die Gemälde des Malers: kreisende Kamera, laute Musik, hektischer Schnitt, extreme Nahaufnahmen, besonders vom Malen - Kamera: Nestor Almendros. Durch diese Verdoppelung deckt Scorsese auf, womit der Maler das Mädchen lange betrogen hat und wodurch er ihr überlegen ist. Die Spontaneität ist nicht - wie er dem bewundernden Blick seiner „Assistentin“ suggerieren will - der Impuls, aus dem die Kunst kommt, sondern das, wonach sie greift und was sie reflektiert, ihr Inhalt, Inszenierung eben. Der Maler drückt eine Tube Rot auf die Leinwand. Es schillert verführerisch, weich und feucht. Der Maler fährt mit dem Pinsel hinein, verschmiert und bricht es mit den anderen Farben. Von ferne gesehen wird seltsamerweise ein Bild draus.
Francis Ford Coppolas Leben ohne Zoe ist erbärmlicher Reiche-Leute-Kitsch. Die Episode spielt in einem Luxushotel am Rande des Central Parks und im Palast eines arabischen Prinzen. Sie handelt von einem sehr reichen zwölfjährigen Mädchen, die ihre sehr reichen, aber getrennten Eltern wieder zusammenführt. Alle tragen Chanel, Chanel Junior Line und Lagerfeld pour l'homme. Carole Bouquet, die zuerst als Bunuels Obskures Objekt der Begierde bekannt wurde und jetzt als offizielles Mannequin für Chanel No. 5 und Chanel -Uhren wirbt, spielt Prinzessin Soroya. Das vollkommen infantile Drehbuch zum Film hat Coppolas siebzehnjährige Tochter Sofia geschrieben. Sie war oder ist im wirklichen Leben, heißt es, Lehrling bei Chanel.
Woody Allens Ödipus Ratlos ist ein Sketch in der Tradition der alten Allen-Filme, aber in den intimen Farben der späten: braun, beige und taubengrau - Kamera: Sven Nykvist. Allen spielt einen Anwalt in einer honorigen Kanzlei. Er hat Probleme mit seiner Mutter, genauer: Probleme mit den Problemen der Mutter mit den Frauen, die er sich aussucht. Die Mutter, Mae Questel, ist eine der berühmtesten Stimmen Amerikas - die von Popeyes Olivia in über 450 Popeye-Zeichentrickfilmen von 1933 bis 1967. Davon ist in der Synchronisation leider nichts mehr zu hören. Schön, daß Allen selbst vor groben Gags nicht zurückscheut. Er projiziert die Mutter als unablässig keifendes Fanal in den New Yorker Himmel, solange, bis er eine Frau gefunden hat, die genauso schlecht kocht wie sie. Das ist nicht Mia Farrow.
Thierry Chervel
New York Stories, von Martin Scorsese, Francis Ford Coppola und Woody Allen, mit Woody Allen, Rosanna Arquette, Mia Farrow, Giancarlo Giannini, Julie Kavner, Nick Nolte, Talia Shire, USA 1988, ca. 100 Min.
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