: Kein starker Mann für Ungarn
Dabor Demszky, führendes Mitglied des „Verbandes freier Demokraten“ in Ungarn, zählt zu den wichtigsten oppositionellen Persönlichkeiten des Landes zu den Verhandlungen am Dreieckigen Tisch ■ I N T E R V I E W
taz: Alle politischen Kräfte in Ungarn sind glücklich. Der Systemübergang sei geschafft, heißt es, der Durchbruch zu einem neuen demokratischen System sei gelungen. Ein Präsident soll schon in diesem Jahr gewählt werden, das Parlament wird im nächsten Jahr in freien Wahlen bestimmt werden. „Neuir“, der Verband freier Demokraten, in der sich die alte oppositionelle Intelligenz versammelt hat, die Jugendorganisation „Fidezs“ und die Liga unabhängiger Gewerkschaften mäkeln an diesem Abschluß rum. Warum?
Dabor Demszky: Wir sind aus ganz prinzipiellen Gründen gegen das Präsidialsystem. Wir lehnen ein amerikanisches, französisches oder auch ein polnisches System ab, weil es einen Präsidenten schafft, der über sehr große Macht verfügt. Da sind uns parlamentarische Systeme wie das der Bundesrepublik oder die in Skandinavien lieber. Hier, in einem Land, in dem es keine demokratische Tradition gibt, wohl aber die Tradition der „starken Männer“, fürchten wir, daß das neue Amt nahtlos an diese Tradition anknüpft, anstatt einen neuen Weg zu eröffnen. Uns wird vorgeworfen, daß wir das Präsidialsystem ablehnen, weil wir einen Präsidenten Imre Poszgay (dem bedeutendsten Reformer in der Partei, d. Red.) verhindern wollen. Aber uns geht es ums Prinzip.
Aber Ihr habt auch noch andere Kritikpunkte an dem Abkommen am Dreieckigen Tisch zwischen Opposition und Kommunisten.
Ja, natürlich. Da ist zum Beispiel die Frage der Parteiorganisation in den Betrieben. Alle Parteien sollten nur in den Wohnbereichen organisiert sein und nicht in den Betrieben. Bisher haben die Kommunisten noch keine positive Entscheidung in dieser Frage getroffen. Weiterhin geht es um die Kampftruppen der Partei, die Arbeitermilizen. Sie sind immer noch eine Privatarmee, deren Existenz vehement von der Partei verteidigt wird. Leider hat das „Demokratische Forum“, die größte oppositionelle Partei, bei den Verhandlungen am Dreieckstisch keine harte Position bezogen, sodaß wir nun mehr oder weniger allein mit unserer Kritik stehen. Bei dem dritten Komplex geht es schlicht und einfach um das Geld. Die Partei hat ein riesiges Vermögen von acht Milliarden Forinth angehäuft (etwa 250 Millionen Mark, d. Red.), das zum großen Teil aus Steuergeldern kommt. Auch die Liegenschaften der Partei sollten an den ungarischen Staat zurückgegeben werden. Das Vermögen, so wollen es die Parteistrategen, soll in die Zukunft hineingerettet werden. Deshalb lehnen wir das gesamte Paket ab.
Werdet Ihr mit Euren Vorstellungen durchkommen?
Der Zug könnte schon abgefahren sein.
Interview: Erich Rathfelder (Budapest)
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