piwik no script img

EG-Minister wollen Freilandversuche

■ Konsens über Freisetzung genetisch veränderter Organismen erzielt / Jetzt kann nur noch das Europäischen Parlament die Regelung ändern / Warnungen der UmweltschützerInnen umsonst

Brüssel (afp) - Genetisch veränderte Organismen dürfen künftig mit Genehmigung der EG ins Freiland ausgesetzt werden. Die Umweltminister der Europäischen Gemeinschaft einigten sich am späten Dienstag abend prinzipiell auf ein EG-weites System zur Anmeldung und Genehmigung von Landversuchen und der Kommerzialisierung von Organismen oder Produkten, deren Erbgut manipuliert wurde. Die Forschung mit gentechnisch veränderten Organismen in der freien Natur und der Vertrieb daraus entwickelter Produkte sollen einem Zulassungsverfahren durch die Europäischen Gemeinschaft unterstehen. Umweltschutzverbände und das Europäische Parlament, das die Initiative noch abändern kann, hatten zuvor ein fünfjähriges Moratorium gefordert, um die möglichen Risiken für Mensch und Umwelt genauer abzuwägen.

Ein einheitliches Zulassungsverfahren soll einerseits gleiche Sicherheitsanforderungen in den bisherigen Gesetzesdschungel der EG-Länder bringen, und zum anderen Forschungslaboratorien und der Industrie feste Verhaltensmaßregeln auferlegen. Alle Experimente mit gentechnisch manipulierten Organismen und das Inverkehrbringen abgeleiteter Produkte sollen zunächst nationalen Genehmigungsstellen gemeldet werden, die anschließend über die EG-Kommission die Zustimmung aller anderen EG-Länder einholen müssen. Sollte ein Mitgliedstaat Einwände haben, fällt die Entscheidung einem Brüsseler Ausschuß aus Experten der zwölf Länder zu, der die Risiken abschließend abwägt.

In dem vorgesehenen Verfahren sind Risikioanalysen, Umweltverträglichkeitsprüfungen sowie eine gewisse Überwachung auch nach der schriftlichen Genehmigung vorgesehen. Die Antragsteller selbst müssen mögliche Gefahren auflisten und „Noteinsatzpläne“ zur „Dekontaminierung eines Geländes“ oder zur „Beseitigung von Pflanzen, Tieren und Böden“ vorlegen, die „nach der Freisetzung in Mitleidenschaft gezogen wurden“. Ein Unfall bei Genversuchen könnte katastrophale Folgen haben. Die freigesetzten Organismen können sich vermehren und genetisches Material übertragen.

Auf Wunsch von Bundesumweltminister Klaus Töpfer können die Mitgliedstaaten auf Wunsch die Öffentlichkeit am Genehmigungsverfahren beteiligen.

Vor der Sitzung des Ministerrats hatten die Grünen im Europaparlament und das Europäische Umweltbüro - ein Dachverband von Umweltschutzgruppen - vor den noch weitgehend unbekannten Auswirkungen gentechnischer Manipulationen gewarnt. Der Brüsseler Umweltkommissar Carlo Ripa di Meana räumte auf einer abschließenden Pressekonferenz dann auch offen ein, daß ein Mittelweg zwischen den „Drohungen“ der Industrie, „unsere Länder zu verlassen“ und dem Schutz vor möglichen Risiken gefunden werden mußte, um eine Gesetzeslücke zu schließen. Der französische Umweltminister Brice Lalond, der gegenwärtig den Vorsitz im Ministerrat hat, sagte lakonisch: „Eine Grundsatzdebatte hat nicht stattgefunden“, die Richtlinie ziele darauf ab, unerlaubte Freisetzungen zu verhindern.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen