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Sondermüll fürs „schönste Dorf“

Schleswig-Holstein: Hamburger Firma will größte Deponie in der BRD bauen /130.000 Tonnen Giftmüll pro Jahr sollen in Salzstöcken verschwinden /BewohnerInnen einmütig dagegen - noch!  ■  Von Klaus Balzer

Eggstedt (taz) - Noch ist Eggstedt im südlichen Dithmarschen ein idyllisches kleines Dorf, ausgezeichnet mit der Ehrenurkunde „Schönstes Dorf in Dithmarschen“. Ob dieses Prädikat auch in drei Jahren noch verliehen wird, bezweifeln die 700 EinwohnerInnen. Denn nach dem Willen der Hamburger Baufirma Bilfinger und Berger wird spätestens 1993 mit dem Bau einer der größten Sondermülldeponien der Bundesrepublik begonnen, das Planfeststellungsverfahren beim Oberbergamt Clausthal-Zellerfeld ist beantragt.

Mindestens 130.000 Tonnen Giftmüll pro Jahr sollen in den Salzstöcken des Haselgebirges versenkt werden - nicht rückholbar, denn die Salzstöcke liegen etwa 1.000 Meter unter dem Erdboden. 40 Jahre lang wird der Müll in den vier geplanten Kavernen abgeladen, bevor die Salzstöcke auf ewig verschlossen werden.

Der Geschäftsführer von Bilfinger und Berger, Fischer, betont die günstige Infrastruktur des Dorfes Eggstedt: direkte Autobahnanbindung, der Kanalhafen Hochdonn am Nord -Ostsee-Kanal, Nordseenähe. Letzteres war wohl ausschlaggebend für die Entscheidung, die Giftmülldeponie hier zu bauen: Die Firma plant, die in den Salzstöcken vorhandene Sole direkt in die Nordsee zu pumpen, trotz des Nationalparks Wattenmeer.

Kaum wurden die Pläne bekannt, gründeten sich in Eggstedt und den umliegenden Dörfern Bürgerinitiativen, die allerdings nicht sehr viel Hoffnung haben, die Deponie verhindern zu können. „Der einzige, der noch etwas tun kann, ist Umweltminister Heydemann. Der aber hat sich bis heute noch nicht sprechen lassen“, zürnt Hans-Jürgen Martens, Gemeindevertreter in Eggstedt.

Auch ein Brief des Gemeinderates, in dem dem Umweltministerium vor nahezu vier Wochen die einstimmige Ablehnung des Bauvorhabens mitgeteilt wurde, blieb bis heute unbeantwortet. „Wir werden von allen Seiten im Stich gelassen, das können Sie ruhig schreiben“, empört sich ein Mitglied der Initiative.

Ein Sprecher des Kieler Umweltministeriums hält sich auch dementsprechend bedeckt: Das müsse alles überprüft werden, das Ministerium stehe den Planungen bis jetzt „neutral“ gegenüber. Und die Befürchtung, daß im Falle eines Baus auch Atommüll in der Deponie endgelagert wird? Diese Befürchtung müsse man allerdings sehr ernst nehmen. Er könne sich sogar vorstellen, daß dann noch andere schlimme Sachen eingelagert würden, „schwierig handhabbare Stoffe aus dem militärischen Bereich zum Beispiel“.

Bürgermeister Karsten Peters, CDU-Abgeordneter im Kreistag, befürchtet durch den Bau der Giftmülldeponie schwere Nachteile für den gerade anlaufenden Tourismus in Eggstedt.

Auch die von der Firma versprochenen 50 Arbeitsplätze und 500.000 Mark Gewerbesteuer pro Jahr können ihn nicht reizen. „Eggstedt ist nicht mehr Eggstedt, seit die Pläne raus sind“, meint er verbittert. Denn mit Ruhe und Erholung in dem kleinen Ort ist es vorbei, Angst macht sich breit. „Die Äcker, Gärten und das Grundwasser werden durch die herumfliegenden Gifte völlig verseucht, wer will hier dann noch Urlaub machen?“

Doris Kröger-Noak von der Bürgerinitiative Eggstedt lebt seit über zehn Jahren in dem Dorf. Damals hätte sie sich nicht träumen lassen, mit Unterschriftenlisten von Haus zu Haus gehen zu müssen. 95 Prozent aller DorfbewohnerInnen haben unterschrieben.

Ob die Einmütigkeit des Gemeinderates gegen die Deponie bestehen bleibt, wird von vielen Mitgliedern der Initiative bezweifelt. Auch Hans-Jürgen Martens und Hans Kühl, beide Mitglieder der Gemeindevertretung und der Initiative, teilen diese Sorge. „Die Gewerbesteuer könnte doch zu verlockend sein, um nachzugeben“.

Um dies zu verhindern, will die Bürgerinitiative ihre ganze Kraft in Aufklärungsarbeit stecken. Ihre wöchentlichen Veranstaltungen sind immer gut besucht, die Aufkleber und bedruckten Jutetaschen finden reißenden Absatz. Dr.Joachim Klatt von der Initiative möchte auch über den Protest gegen die Deponie hinaus Bewußtsein verändern: „Eine Lösung für das ganze Problem wird es doch erst dann geben, wenn die Politiker die Konzepte zur Müllvermeidung endlich konsequent durchsetzen.“

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