: EPISCHES BREITWANDKINO
■ Die Hoodoo Gurus im Loft
Die Vorband aus Hagen hätte dem Outfit nach gut auf die Nachbarbühne im Metropol gepaßt, wo parallel Heavy Metal gedroschen wurde. Langhaarige wilde Rocker zeigen ihre Zähne. Ihr lautes Gitarrengedröhne hätte die Metal-Gemeinde allerdings doch eher verschreckt, denn es fehlte etwas an Struktur. Sie schafften sich redlich, aber White Indian Dave Faulkner von den Gurus verwies sie des Feldes. You're on my street! Verzieht euch, prescht mit euren Karren woanders lang! Hier habe ich das Sagen! Und die Gang trumpfte auf. Trotzdem war da ein ständiges Augenzwinkern. Schon gemerkt? Wir sind das australo-amerikanische Rock -Klischee und bieten euch einen bunten Abend voller Szenen aus jahrzehntealten Road-Movies. Der 90-Minuten-Technik -Color-Traum ohne LSD und Flimmerlicht, dafür mit handfesten Geschichten vom harten Leben junger Männer. Freund Brad Shepherd trägt Hero Hendrix auf der Brust.
Die Hoodoo Gurus sind und waren immer schon anachronistisch, standen tief in den Siebzigern, als diese noch nicht zwecks Recycling hervorgekramt wurden. What the hell is punk, wir sind Rocker! Und wir singen von Frauen, von unerfüllter Liebe, dem nachbarlichen Alltagswahn und dem Spaß, der aus allem doch herausspringt.
Dieser Abend war allen gewidmet, die erschienen waren. Den Zweiflern an Wahrheit und Gefühl ...I don't know anything... den Schwankenden, den sich nicht zugehörig Fühlenden...What's my scene?...den harten Widerstehern ...Axe Grinder...den unberechenbaren Hasadeuren...Kamikaze Pilot ...den sehnsüchtig sich verzehrenden Liebenden...It's always bittersweet. Überhaupt steckt die Sehnsucht in allem, kriecht in die hart geschrubbten Riffs und WahWah-Soli, füllt die ruhigen, fast schön gesungenen Melodien - und alles ist unterlegt mit treffendsten „Ahhs“, „Uuhuuus“ und „Hey Heys“. Wer kann da unbeteiligt bleiben? Die Arme recken sich gegen die verrauchte, niedrige Decke. Gleichgültig, welchen Song - und es waren Songs - sie spielten, der Pausenjubel war ihnen sicher.
Der Weg ging rückwärts, zu den Anfängen, die in der Erinnerung immer „am besten“ sind. Hätten nicht Überfüllung und Hitze ihre Kondition beeinträchtigt, wären die Gurus sicher auch wieder in der Jetztzeit gelandet, aber der schwitzende, keuchende Drummer forderte leichtere Stücke, und das sind nun mal die früheren Smasher. Die spielen sich von selbst, auch wenn das letzte Mal zweieinhalb Jahre zurückliegt. Ein showdownmäßiges Medley beendete dieses Stück australisches episches Kino. Die bei derlei Illusionsproduktion übliche Überlänge verhinderte das Loft leider durch unerbittliches Einblenden der Saalbeleuchtung plus PA-Gedröhn. Aber der innere Projektor läuft weiter... mit Augenzwinkern.
Schwalbe
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