Schmücker-Deal ein Mißverständnis?

■ Berlins Innensenator Pätzold will von einem Treffen zwischen Verfassungsschützern und Schmücker-Anwälten nichts gewußt haben / Mitarbeiter wollte nicht drohen, sondern „Frieden stiften“

Berlin (taz) - Der hochrangige Mitarbeiter“ des Berliner Verfassungsschutzes, der den Verteidigern in dem Prozeß um die Ermordung des Berliner Studenten Ulrich Schmücker 1974 einen „Deal“ vorgeschlagen und den Anwälten mit kompromittierenden Enthüllungen über ihre Person gedroht haben soll, hat nach Angaben von Innensenator Pätzold in eigener Verantwortung und ohne Auftrag gehandelt.

Wie berichtet hatten fünf der Anwälte des Schmücker -Prozesses am Dienstag öffentlich behauptet, der Berliner Verfassungsschützer hätte dem Rechtsanwalt der Hauptbeschuldigten Ilse Schwipper bei einem geheimen Treffen vorgeschlagen, seine Mandantin solle ein Geständnis ablegen und sich zu einer 15jährigen Zeitstrafe verurteilen lassen. Dadurch könne dann auch, auf die Vernehmung zweier V-Leute verzichtet werden, die ansonsten kompromittierende Details aus den Anwaltskanzleien berichten würden, auf die sie zur Ausspähung angesetzt waren.

In der gestrigen Sitzung des Ausschusses zur Überprüfung des Berliner Verfassungsschutzes bedauerte Pätzold das Vorgehen seines Mitarbeiters, bei dem es sich um den zweiten Mann im Justitiariat des VS gehandelt habe. Hintergrund von dessen Vorgehen sei die von Frau Schwippers Anwalt aufgeworfene Frage, ob die dem Verfassungsschutz möglicherweise vorliegenden Erkenntnisse aus der Anwaltskanzlei einem Parlament oder einem Ausschuß überhaupt vorgelegt werden dürften. Damit nämlich würde möglicherweise das anwaltliche Mandatsgeheimnis gebrochen. Pätzold hatte nach eigenen Angaben dem Rechtsanwalt eine juristische Prüfung seiner Bedenken zugesagt, die dann der Justitiar des VS übernehmen sollte. Dieser nun soll den Auftrag so verstanden haben, daß er den Anwalt darüber aufklären sollte, was gegen ihn vorliegt.

Der öffentliche Schaden, so Pätzold, sei nun „sehr groß“ und er selbst „sehr unglücklich“. Daß der Justitiar die Rechtsanwälte unter Druck setzen wollte, schließt Pätzold aus: „Der ist keiner, der droht.“ Er habe wohl eher im bislang längsten Prozeß der bundesdeutschen Justizgeschichte „nach allen Seiten den großen Friedensstifter spielen“ wollen. Pätzold bestätigte, daß gegen den VS-Beamten nun disziplinarische und strafrechtliche Schritte geprüft werden.

Der Präsident des Berliner Landgerichts hat das Vorgehen des VS-Beamten gestern als „unerträglichen Versuch der Einflußnahme des Verfassungsschutzes auf ein schwebendes Verfahren“ scharf kritisiert. Die Richter des demnächst zum vierten Male aufgerollten Verfahrens verwahrten sich entschieden dagegen, „mit solchen Machenschaften in Verbindung gebracht zu werden“.

Wolfgang Gast