Unter der Glasglocke

■ Eine Ankündigung: Zu Kresniks Tanztheater „Silvia Plath“ / Ein Romanauszug

Doktor Gordons Privatkrankenhaus krönte einen grasigen Hügel am Ende einer langen, abgeschlossenen Auffahrt, die mit Muschelkalk weiß gefärbt war. Die gelbe Bretterverkleidung des großen Hauses mit der umlaufenden Veranda glänzte in der Sonne, aber kein Mensch ging über die grüne Wölbung des Rasens. Als meine Mutter und ich näher kamen, drückte die Sommerhitze auf uns herab, und in einer Blutbuche im Hintergrund begann eine Zikade, wie ein wesenloser Rasenmäher. (...) Was mich störte war, daß alles an dem Haus normal schien, obwohl ich wußte, es mußte bis oben voll mit verrückten Leuten sein. (...)

Wir saßen ohne zu sprechen auf einem klumpigen Sofa, das jedesmal knarrte, wenn man sich bewegte. Dann glitt mein Blick über die Leute zu dem hell leuchtenden Grün hinter den durchscheinenden Vorhängen, und ich hatte das Gefühl, ich säße im Schaufenster eines großen Warenhauses. Die Figuren um mich herum waren keine Menschen, sondern Kleiderpuppen, bemalt, um Menschen ähnlich zu sein, und in Stellungen gebracht, die Leben vortäuschten. Ich stieg hinter Doktor Gordons dunkel bejacktem Rücken her. Unten in der Halle hatte ich versucht ihn zu fragen, wie die Elektroschockbehandlung wäre, aber als ich den Mund öffnete, kam kein Wort heraus, meine Augen wurden nur größer und starrten auf das lächelnde bekannte Gesicht, das vor mir schwebte wie ein Teller voller Beteuerungen.

aus Silvia Plaths Roman: „Die Glasglocke„

24.27.29.Sep./1.3.5.7.8.Okt., im Concordia