: Kapitän und Verteidiger putzten die Platte
■ Havelländisches Ost-West-Lokalderby Nauen - Spandau: Nach 4:1-Niederlage blieben zwei Fußballer in Spandau / Bezirksbürgermeister Salomon reist heute zur Klärung des Rückspiels nach Nauen
Es hätte so deutsch-deutsch harmonisch werden können, am Samstag auf dem Fußballplatz in Spandau. Doch alles, was alle Beteiligten nach dem Freundschaftsspiel zwischen der Bezirksauswahl Spandau und der Stadtauswahl der Betriebssportgruppe (BSG) Nauen beschworen, vermasselten zwei DDR-Sportler: Sie blieben einfach geographisch im „Osten“, das heißt in Spandau. Das gemeinsame Abendessen war eingenommen, die Delegationsleitung aus Nauen bat die Kicker zum Aufbruch - doch zwei Plätze im Reisebus blieben und blieben einfach unbesetzt.
Der Mannschaftskapitän der BSG Nauen, Holger Friedrich, und der Verteidiger, Volker Tiede hatten sich aus dem real existierenden Sozialismus wie derzeit so viele andere ausgeklinkt. Entnervt fuhr die Gruppe schließlich ohne die abtrünnigen Genossen ab.
Ob Friedrich und Tiede der Anregung aus dem Publikum gefolgt waren - ein Zuschauer brüllte während des Spiels: „Na, bleibt doch hier, dann lernt ihr richtig Fußballspielen“ - bleibt vorerst noch offen. Der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Spandauer Fußballvereine, Manfred Bartels, konnte sich zwar alle möglichen Gründe vorstellen, weshalb die beiden Spieler nicht am Mannschaftsbus erschienen, („vielleicht sind sie in der Kneipe versackt?“), aber erstmal geht er davon aus, daß sie hiergeblieben sind, um sich abzusetzen.
Noch am Samstag morgen bei der Ankunft der Delegation vor dem Rathaus Spandau habe er beobachtet, wie einige der Spieler von Westberliner Bekannten persönlich begrüßt wurden. „Wahrscheinlich sind sie irgendwo privat untergekommen!“ vermutet Bartels.
Von den Nauener Sportlern fehlt bisher jede Spur. Der Vereinsvorsitzende weiß nicht, wo sie sind, und auch die Polizei hat keine Ahnung. Ob die Nauener Stadtauswahl nun die Gelegenheit haben wird, sich für die 4:1-Niederlage gegen die Spandauer in ihrer Heimat zu revangieren, ist jetzt zumindest fraglich. Grund genug hätten sie zumindest. Mit ihrem höflichen Fußball konnten sie dem zwar chaotischen, aber massiven Angriffsspiel der Spandauer unter Federführung von „Bum-Bum“ Peter Pagels nichts entgegensetzen.
Offenbar gehorchten sie der Direktive, nur ja einen anständigen und fairen Eindruck zu hinterlassen, was soweit führte, daß sie sich sogar noch schmerzverzerrten Gesichtes für gegnerische Fouls entschuldigten.
Geplanter Termin für das Rückspiel ist der 14.Oktober. Vorsitzender Bartels verbreitet zwar Optimismus: „Ich sehe das Rückspiel nicht gefährdet.“ Er räumt trotzdem ein, „man weiß ja nicht, wie die DDR-Oberen reagieren, wenn der Delegationsleiter ihnen mitteilen muß, daß zwei ihrer Sportler im Westen geblieben sind.“
Für Klarheit über diese Frage wird jetzt Spandaus Stadtoberhaupt Werner Salomon sorgen, der heute zu Gesprächen nach Nauen reist, um die Kontakte der benachbarten Partnerstädte auch in anderen Sportarten auszubauen.
Lars-Ulrich Schlotthaus (lus)
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen